: Aderlaß und Steine abschlecken
■ Ein Vortrag über die Medizin der Hildegard von Bingen
In der Urania fanden am Wochenende die Berliner Heilpraktikertage vom Fachverband deutscher Heilpraktiker statt. Unter anderem referierte Dr. rer. nat. Wighart Strehlow aus Konstanz über die Medizin der Hildegard von Bingen. Geboren 1098 bei Alzey war sie das zehnte Kind ihrer Eltern, wurde schon von Geburt an Gott geweiht und wuchs im Kloster Disibodenweg auf. Seit ihrer Kindheit wurde sie von mystischen Visionen heimgesucht, die sie in einer Reihe von Schriften, bzw. Liedern festhielt. Dazu bedurfte sie allerdings der Hilfe von Mönchen, die als Sekretäre für sie arbeiteten, da sie selbst die lateinische Sprache nur unvollständig beherrschte. Hildegard starb als Äbtissin 1179. Im gleichen Jahrhundert wurde ihre Sehergabe auf der Synode von Trier bestätigt.
Bei dieser Medizin, so Dr. Strehlow, handelt es sich um eine Heilkunde, die dem Menschen direkt von Gott gegeben wurde. Die Heilung vollzieht sich am ganzen Menschen und es gebe sieben Notwendigkeiten, mit denen er in Harmonie stehen solle, um Gesundheit zu erhalten oder zu erlangen:
1.In jedem Menschen wohnt eine Seele.
2.Die Beziehung zum Göttlichen
3.Licht
4.Luft
5.Wasser
6.Erde
7.Schwingungen.
Wenn der Mensch sich nicht in Einklang mit diesen sieben Prinzipien befindet, wird er krank. Bei Hildegard gibt es grundsätzlich keine unheilbaren Krankheiten, allerdings schwere und widerspenstige Leiden. Chronische Krankheiten können nur geheilt werden, wenn der Erkrankte seine Lebensart, die Ursache des Leidens, verändert. »Oder aber Gott will nicht, daß dieser Mensch von seiner Krankheit geheilt wird.« Das gibt es auch. Strehlow berichtet weiter von vier Säulen der »Hildegard Medizin«: Edelsteine, Aderlaß, 77 Heilmittel pflanzlicher und tierischer Art und die Diät. Allerdings waren ihr auch das, was wir heute Psychotherapie nennen, die Musik und Wasseranwendungen als Therapien nicht unbekannt.
Das Heilen mit Edelsteinen ist auch aus der indischen ayurvedischen Medizin bekannt, Hildegard verschreibt Scheiben aus Jaspis, die man sich aufs Herz legt, um funktionelle Veränderungen zu regulieren (Herzschrittmacher), oder auch einen Jaspis, in Olivenform geschliffen, an einem Silberkettchen, den man sich bei Ohrenentzündung ins Ohr steckt. Auch gegen Suchtkrankheiten, bei Gicht, Arthritis, Neurodermitis oder Überbein können Edelsteine, wenn sie in bestimmter Weise geschliffen und ins Wasser gelegt werden (wobei man entweder das Wasser trinkt, die Steine ablutscht, oder die erkrankten Körperstellen mit dem Stein bestreicht) Linderung und Heilung verschaffen. Zur Entgiftung des gesamten Organismus stellt Strehlow den Hildegardschen Aderlaß vor: »...er soll stets nüchtern bei abnehmendem Mond durchgeführt werden, und zwar in den ersten sechs Tagen nach Vollmond. Bei Vollmond schadet er«, der aber nicht mit der mittelalterlichen Methode durchgeführt wird, sondern individuell auf den Patienten zugeschnitten ist.
Eine der Hildegard-Diäten basiert auf Dinkel. Allein die Dinkel-Diät soll in der Lage sein, die meisten Zivilisationskrankheiten, die durch Fehlernährung entstehen, zu vermeiden. Dinkel wird als Mehl, Nudel, Brot, oder Brei genossen, aber immer gekocht oder gebacken, wie auch Gemüse nie roh gegessen werden soll. Auf Fleisch kann, muß aber nicht verzichtet werden. Heidi Pauwen
Wer sich mehr für Hildegard von Bingen interessiert, dem seien folgende Bücher empfohlen: Die Ernährungstherapie der heiligen Hildegard , Handbuch der Hildegard Medizin , Die Edelsteinmedizin der heiligen Hildegard , alle von Wighart Strehlow, die beiden letzten in Zusammenarbeit mit Dr. Gottfried Hertzka. Beispiele ihrer Kompositionen kann man auf einer CD hören: Vox Hildegard von Bingen — Diadema erschienen bei Erdenklang.
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