: Straffreie Schläge auf Pressefotografen
■ Hauptangeklagter Polizeiobermeister schlug »wahrscheinlich« Pressefotografen zusammen, wurde aber wegen »Zweifel« freigesprochen
Moabit. Mit einem Freispruch endete gestern vor dem erweiterten Schöffengericht der Prozeß gegen drei Polizeibeamte, die wegen Körperverletzung im Amt angeklagt waren. Das Gericht unter Vorsitz des Richters Ehestedt zweifelte zwar nicht daran, daß die beiden Pressefotografen Sabine Sauer und Detelv Konnerth am 1. Mai 1990 in Kreuzberg von »einem oder mehreren Polizisten« mit Holzknüppeln aufs schwerste mißhandelt worden waren, vermochte aber keinen der Angeklagten zu überführen. Insbesondere bei dem angeklagten 34jährigen Polizeiobermeister Andreas L., der bereits vorbestraft ist, stand es bis »zuletzt auf der Kippe« zum Schuldspruch. Doch auch wenn Andreas L. »wahrscheinlich« einer der Schläger gewesen war, habe er wegen verbleibender Zweifel freigesprochen werden müssen.
Detlev Konnerth war am 1. Mai 1990 gegen 22.30 Uhr beim Versuch, an der Skalitzer Straße/Ecke Mariannenstraße ein Festnahme zu fotografieren, von mehreren Polizeibeamten umringt und mit Holzknüppeln derart zugerichtet worden, daß er diverse große Platzwunden am Kopf, eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfwunden an Schultern und Armen davontrug. Sabine Sauer, die ihrem Kollegen zu Hilfe eilen wollte, wurde ebenfalls zusammengeschlagen.
In dem mehrtägigen Prozeß sind zahlreiche Zeugen gehört worden. Einige von ihnen, wie der Fotograf Stefan Doblinger sowie zwei Journalisten der 'Morgenpost‘, waren unmittelbare Augenzeugen des Vorfalls. Sie hatten zudem Fotos vom Ablauf der Ereignisse gemacht. Doch weder mit Doblingers Aussage, der den Polizeiobermeister Andreas L. als jenen Beamten identifiziert hatte, der zweimal auf Konnerth eingeschlagen habe noch mit den Fotos wollte sich das Gericht zufriedengeben. Eine große Rolle spielte ein Bild, das Andreas L. mit gerade ausgestrecktem Knüppel auf Konnerths Schulter zeigt (siehe Foto). Obwohl Doblinger den Auslöser seiner Kamera eigener Aussage zufolge just in dem Moment betätigte, als L.s Schlagstock zum zweiten Mal auf Konnerth niedersauste, befand das Gericht, daß das Bild »keine Schlagsituation«, sondern »eine reine Festnahmesituation« zeige.
Zur Begründung des Urteils führte es an, daß man sich in dem Prozeß »zu sehr« an den Bildern orientiert habe, obwohl es »wahrscheinlich immer wieder Momente« zwischen den Fotos gegeben habe. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Erinnerung einiger Zeugen mehr an den Bildern orientiert habe, als an dem, was sie tatsächlich gesehen hätten.
Der Nebenklagevertreter der geschädigten Fotografen, Martin Rubbert, hatte in seinem Plädoyer festgestellt, daß L. von mehreren Zeugen als Täter »von mindestens drei Schlägen« identifiziert worden sei. Er forderte eine angemessene Strafe. Daß der vorbestrafte Beamte im Schutz seiner Polizei-»Vermummung« einen Pressevertreter bei seiner Berufsausübung mißhandelt habe, müsse erschwerend zu Buche schlagen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten Freispruch gefordert. plu
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