piwik no script img

INTERVIEW„Der einzige Weg nach vorn ist die Trennung“

■ Lam Akol gehört zu den Anführern der Opposition innerhalb der südsudanesischen Guerillabewegung SPLA, die für eine Sezession eintritt

In der südsudanesischen Guerillabewegung SPLA sind harte Flügelkämpfe ausgebrochen. Der Guerillaführer John Garang gerät immer mehr unter Druck. Eine Rebellion gegen ihn, die vor einigen Wochen von mehreren SPLA- Kommandeuren gestartet worden war, gewinnt ständig an Boden. In der vergangenen Woche sollen bei den Kämpfen innerhalb der SPLA rund 3.000 Menschen ums Leben gekommen sein, berichtete die Khartumer Regierungszeitung 'Al-Ingaz Al-Watani‘. Lam Akol, seit 1986 SPLA-Mitglied, gehört zu den Anführern der Opposition gegen den bislang unangefochtenen „starken Mann“ an der Spitze der SPLA. Die taz sprach mit ihm in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

taz: Was werfen Sie John Garang vor?

Lam Akol: Er hat die Bewegung geführt, als sei sie sein Privateigentum. Es gibt keine Strukturen und Institutionen, und deshalb ist sehr viel schiefgelaufen. Viele SPLA-Kollegen sitzen aus politischen Gründen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Kinder sind als Soldaten rekrutiert worden. Gegen Menschenrechtsverletzungen wurde nichts unternommen.

John Garang war zur selben Zeit in Nairobi wie Sie, aber Sie haben sich nicht getroffen. Warum nicht?

Wir haben mit ihm nichts zu besprechen. Er lehnt jede Demokratisierung ab.

Was verstehen Sie darunter eigentlich?

Die Demokratisierung beinhaltet viele Aspekte. Die Bevölkerung muß in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Es muß klare Richtlinien geben. Wir wollen eine kollektive Führung, die sich regelmäßig trifft. Das sogenannte „High Command“, von John Garang handverlesen ausgewählt, ist nicht ein einziges Mal vollzählig zusammengekommen.

Wie stark sind Sie? Woher nehmen Sie die Gewißheit, daß John Garang am Ende nicht doch gewinnt?

John Garang kann unter keinen Umständen gewinnen, einfach deshalb, weil jeder im Feld unser Programm unterstützt. Auch die SPLA- Büros im Ausland stehen auf unserer Seite.

So ziemlich jede Rebellenbewegung behauptet, die Unterstützung der Massen zu haben. Was für Beweise haben Sie?

Wir gewinnen jeden Tag mehr Unterstützung. Wir haben in einer Gegend angefangen. Inzwischen haben wir vier Distrikte unter Kontrolle und sind jetzt im fünften.

Sie haben sich — anders als in der Vergangenheit John Garang — offen für eine Abspaltung des Südsudan vom Norden ausgesprochen. Warum wollen Sie die Sezession?

Die Friedensgespräche, die bisher stattgefunden haben, sind alle am Thema Scharia (islamisches Rechtssystem, die Red.) gescheitert. Wir glauben, daß keine Regierung in Khartoum bereit sein wird, die Scharia abzuschaffen. Deshalb kommen wir aus dem Teufelskreis nicht heraus. Wir glauben daher, daß ein drastischer Schritt erforderlich ist. Deshalb sollten wir die Sezession wenigstens für eine Übergangsperiode ausprobieren, in der beide Seiten sehen können, ob diese Lösung praktikabel ist. In dieser Übergangszeit sollte es Bewegungsfreiheit und Handelsfreiheit zwischen beiden Seiten geben, und danach sollten die Leute in freien Wahlen entscheiden, ob sie sich vereinigen wollen oder nicht.

In der Vergangenheit hat die Organisation für Afrikanische Einheit, die OAU, jeder Grenzveränderung auf dem Kontinent strikt widersprochen. Wie glauben Sie den internationalen Widerstand gegen eine Abspaltung überwinden zu können?

Die internationale Lage hat sich verändert. Separatismus ist nicht länger das Tabuthema, das es noch vor einigen Jahren war. Staaten sind vielleicht nicht bereit, eine Sezession offen zu unterstützen, aber sie würden sich nicht weigern, Handel mit einem neuen unabhängigen Staat zu treiben.

Außerdem war der Südsudan historisch in seiner Entwicklung vom Norden getrennt. Wir unterscheiden uns voneinander in vieler Hinsicht: Der Norden ist moslemisch, der Süden christlich, der Norden ist arabisch, der Süden afrikanisch, der Norden blickt auf die arabische Welt, wir nach Afrika. Wir sind voneinander so verschieden, daß der einzige Weg nach vorne die Trennung ist.

Ende des Monats wird John Garang mit Repräsentanten der Regierung in Khartoum auf neutralem Boden, in Nigeria, verhandeln. Zeigt das nicht, daß die sudanesische Regierung Garang trotz Ihrer Rebellion weiterhin als den Mann betrachtet, der die Macht in Händen hält?

Ich denke nicht. Die Arrangements wurden von der gegenwärtigen Krise in der Bewegung getroffen, deshalb bedeutet das gar nichts. Garang repräsentiert niemanden — in wessen Namen will er verhandeln? Und Khartoum ist noch nicht bereit, den Kämpfen ein Ende zu setzen.

Wieviel Zeit bleibt Ihnen, um die Krise innerhalb der Bewegung zu lösen?

Wir sind zuversichtlich, daß wir das Problem vor der Trockenzeit, die im Februar erwartet wird, gelöst haben. Interview: Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen