: Der Streik als Brille
'Profil‘- und 'Trend‘-Journalisten über Streikerfolg überrascht/ Verkauf wäre österreichische Dekonzentration im Zeitalter der Konzentration ■ Von Günther Nenning
Fachleute streiten, ob Österreich das Land mit einer der größten Pressekonzentrationen ist oder mit der größten. Jetzt wird es vielleicht, zum Erstaunen der Fachleute, das Land mit der ersten erfolgreichen Dekonzentration. Erstaunlich war ja schon, daß die Erfolgsmagazine 'Profil‘ (wöchentlich) und 'Trend‘ (monatlich), beide bürgerlich-liberal und moderat-kritisch, überhaupt streikten und daß es der längste Streik der österreichischen Streikgeschichte wurde, ominöse 13 Tage. Erstaunlicher war nur noch der Streikerfolg. Daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmern das Angebot macht: Wißts was? Wenn ihr so schlimm seids, dann freuts mich nicht mehr, ich verkauf' euch, bringt mir selber ein Kaufangebot — also, so ein Streikergebnis hat's noch nie gegeben.
Auf einen Wahnsinn anderthalbe: Prinzipiell kreuzbrave Journalisten plus Verlagsangestellte streiken aus dem Blitzblauen, mit der unerhörten Begründung: Wir wollen unsere journalistische und kommerzielle Unabhängigkeit wahren — und einer der potentesten Medienkonzerne der Welt antwortet drauf, aus dem Blitzblauen: Wir geben euch frei. In der ganzen Weltgeschichte begab sich einigermaßen Ähnliches erst einmal, nämlich im Königreich Sachsen 1918, als der Herrscher abdankte mit den denkwürdigen Worten: Nu macht euch euren Dreck alleene.
Was für eine Story! Der Wahnsinn, der die Weltgeschichte jetzt befallen hat, infiziert jene, die darüber berichten und daraus Profit schlagen. Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode. Aber welche? (Die gleiche Frage wie an die Weltgeschichte.)
Erst allmählich dämmert jetzt den Profilisten und Trendlern (sie produzieren einen Jahresgewinn, an dem sie beteiligt werden, von netto annähernd 10 Millionen DM), was sie getan haben. Nämlich etwas, was sie schon lange hätten tun sollen: sich rechtzeitig wehren gegen die Einverleibung — die glatte, kommentarlose— in die Eingeweide eines Printmedienriesen unübersichtlichster Gestalt.
Da er keinen eigenen Namen hat, geschieht ihm recht, wenn er im Volksmund auf den Spottnamen „Krokuwaz“ getauft wurde. Nämlich: 'Kronenzeitung‘ plus 'Kurier‘, die beiden auflagenstärksten Tageszeitungen des Landes, „Kro“ höchst gewinnreich, „Ku“ im Gegenteil, plus Druckereien, plus Vertriebsnetz, plus allerhand Zeitschriften, 'Profil‘ und 'Trend‘ ertragreich, andere weniger bis gar nicht, plus 49 Prozent Beteiligung, erworben von der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung‘ (WAZ), plus endlose Raufereien im Bauch des Giganten, komplett mit Gerichten und Staatsanwalt. Kurz: eine runde Sache.
Äußere Pressefreiheit heißt: Freiheit von Einverleibung in ein so riesiges, so unüberschaubares Mediengebilde — oder notfalls auch Freiheit trotz solcher Einverleibung, was wiederum heißt: innere Pressefreiheit: Ausarbeitung und eiserne Durchsetzung klarer Spielregeln (Redaktionsstatuten): garantiert lange Leine zur halbwegs oder ganzwegs sittlichen Ausübung der demokratiewichtigen Pflichten und Rechte der Journalisten und der Zeitungen insgesamt.
Verspätet, aber desto drastischer kam jetzt diesbezügliches Unbehagen bei 'Profil‘ und 'Trend‘ hoch, mit einem gewaltigen Rülpser, der alle Be- und Unbeteiligten überraschte, am meisten jene, die ihn taten. Was, das haben wir uns getraut? Das hätten wir nie von uns gedacht. Na, eigentlich sind wir ja gar nicht schlecht drauf! Der Streik war also ein Nachspiel. Aber auch ein Vorspiel. Der richtige Liebesakt steht noch aus.
Peter Rabl, Chefredakteur und Herausgeber von 'Profil‘, ist in diesem Krimi der Schurke, der keiner ist. Er ist ein ehrgeiziger Kollege und tüchtiger Journalist. Sein Problem ist nur, daß er ehrgeiziger ist als tüchtig. So wurde er, 43, Vorstandsdirektor in der „Zeitschriftenverlagsbeteiligungsgesellschaft“. Sie ist Eigentümerin u.a. von 'Profil‘ und 'Trend‘ und ihrerseits im Eigentum des „Krokuwaz“-Konzerns.
Plötzlich saß im Sessel Peter Rabls, des Chefredakteurs — in den ihn die Redaktion selber gewählt hatte — ein Kentaur. Kopf vertritt, getreu Redaktionsstatut, die Unabhängigkeit des Blattes, Unterleib vertritt, getreu Handelsrecht, den Durchgriff des Eigentümers. Peter, unser eigener Mann, Rabl, der Unternehmervertreter. Daß solche Kentauren, Gen-Monster aus Journalistik und Kommerz, in der Branche längst üblich sind, macht sie nicht besser. Im Gegenteil, der Widerstand gegen sie wird ebendrum zukunftsträchtig. Bei uns geht so was eben nicht!
Zu einem pater- oder maternalistischen Zeitungseigentümer können die Verbindungslinien der Redaktion kurz und übersichtlich, möglicherweise sogar erfreulich sein. Aber in dem labyrinthischen Riesentanker „Krokuwaz“, mit zerstrittenen Steuermännern, ist ein faktisch von ihnen abhängiger Manager — der in Personalunion auch noch die Unabhängigkeit eines unter mehreren Blättern des Konzerns vertreten soll — eine wahrhaft mythologische Figur. Ein Kentaur mit mehreren Köpfen und mehreren Unterleibern eben.
Wenn Rabl sagte, wozu die Aufregung, er werde „oben“ insbesondere das 'Profil‘ fördern, jaulten berechtigt die restlichen Konzernzeitschriften, die er gleichermaßen zu fördern hat. Ebendrum jaulte 'Profil‘, und ebenso berechtigt, denn manche dieser anderen Zeitschriften sind brustschwach und bedürfen Honigs vom profitablen 'Profil‘/'Trend‘. All das rief nach verdientem Langzeiturlaub Rabls. Maximal vier Monate, und in dieser Frist Ausgliederung von 'Profil‘/'Trend‘ aus dem ungeliebten Konzern.
Warum verkauft ein Eigentümer, gesegnet mit defizitären Objekten, zwei gewinnträchtige? Um Ruhe und Ordnung zu haben, Flächenbrand befürchtend im unruhigen Konzernland? Oder ist's, was österreichisch „ein Legerl“ heißt? Der Konzern findet ein Haar bei jeglichem Kaufangebot, und nach vier Monaten ist er wieder da, mitsamt Rabl?
Was dann? Dann beginnt alles von vorn. Die Betriebsversammlung hat einstimmig eine „Magna Charta“ beschlossen: Wer immer kauft oder nicht kauft, bleiben muß das freiheitsichernde Redaktionsstatut plus Unvereinbarkeit der Doppelfunktion Chefredakteur/Vorstandsdirektor. Es kann also gar nichts passieren, außer ein neuer Streik.
Inzwischen beutelt die 'Profil‘- Redaktion ein lang verschleppter Generationenkonflikt, Jungaufsteiger gegen Altmandarine, aber das ist ausbügelbar. Die vom Betriebsrat bestellten Verkaufsverhandler sind hochqualifizierte Profis. Im Arm haben sie zwei Enten, die goldene Eier legen, auf dem Markt drängeln sich Interessenten buchstäblich dutzendweis'.
Dekonzentration im Land und Zeitalter der Konzentration?! Welch tiefer Blick ins wahre Medienleben, aufblitzender Anlaß für Ausbruch der lang verschlampten Diskussion: Medien, oder was halt so heißt, in der Demokratie. Der jüdische Witz liefert immer die konkreteste Metapher: Mann fällt Brille in Donau. Wendet sich an Passant: Helfen Sie mir, meine Brille ist in den Rhein gefallen. Passant: Aber das ist doch die Donau. Brillenträger: Na sehen Sie, wie schlecht ich sehe ohne Brille. Der 'Profil‘/'Trend‘-Streik hat — und nicht nur für Österreich — eine Brille geliefert, mit der man sehen kann, wenn man will.
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