: Die gleiche Masche
■ betr.: "Serbisches Sandzak gegen Belgrad", taz vom 26.10.91
betr.: „Serbisches Sandzak gegen Belgrad“, taz vom 26.10.91
Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen, wobei ich die Überschrift „Serbischer Sandzak...“ nicht verstehen will. Das Wort Sandzak kommt im übrigen aus dem Türkischen und bedeutet Region oder Verwaltungsbezirk, und hat somit überhaupt nichts mit Serbien zu tun.
Die große Masse der deutschen Bevölkerung hat über die Vorgänge dort überhaupt keine Ahnung und redet oder schreibt nur, was von offizieller Stelle in Belgrad behauptet wird.
Die Serben behaupten, die Bosnier seien ursprünglich zum Islam konvertierte Serben, und die Kroaten behaupten, die Bosnier seien ursprünglich Kroaten, die zum Islam übergetreten sind.
Daß dies alles natürlich totaler Quatsch ist, wissen alle, am besten die Bosnier selbst. Aus Angst oder Gleichmut, meist aber staatlich verordnet, schweigt die Mehrheit der moslemischen Bevölkerung. Der Grund dafür liegt im serbischen Imperialismus, und eben an ihrer Bevölkerungsmehrheit.
Bevor es überhaupt die Serben auf dem Balkan gab, besiedelten die Griechen (Byzantiner) den Balken. Danach kamen und gingen Dutzende von Völkern wie die Peschnegen, Kumanen, Awaren, Hunnen sowie eine aus Persien stammende Sekte der Bogumilen. Sie alle siedelten sich dort an, vermischten sich und verschwanden wieder oder gingen im nächsten Volk wieder auf. Somit ist es irreführend, die Bosnier als Serben oder Kroaten zu bezeichnen, da vor allem während der 500jährigen Türkenherrschaft große Teile der damaligen Bosniaken freiweillig zum Islam übertraten, also ohne Zwang, aber nicht etwa, um ihren Besitz zu retten, sondern vielmehr aus Sympathie, da die Bosniaken schon immer entweder durch die Kroaten (Katholen) oder durch die Serben (orthodoxe Christen) verfolgt wurden.
Wenn diese zwangsweise zum Islam hätten konvertieren müssen, hätten die Bosniaken schon längst die Gelegenheit genutzt, um wieder Christen zu werden.
Aber auch dem Großchauvinismus der Serben ist es zu verdanken, daß die moslemische Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina und des Sandzak ihnen mißtraut, da während des Zweiten Weltkrieges Tausende von Moslems — besonders im Sandzak — hingemeuchelt wurden (inoffiziell etwa 300.000), doch die Europäer waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich die Mühe zu machen, dem Einhalt zu gebieten oder zu protestieren. Das heutige Serbien war auch noch nie so groß wie heute, denn Teile des heutigen Bosnien- Herzegowina sowie des Sandzak mußten nach Ende des Zweiten Weltkrieges an Serbien und Montenegro abgetreten werden.
Daß es schon damals ein Königreich Bosnien gegeben hat, ist historisch erwiesen: 1389 regierte ein König Tvrko das Land, der sich, um die Unabhängigkeit zu sichern, zeitweise mit den Serben oder auch mit den Kroaten verbündet hat.
Die Serben, die nun bevölkerungsmäßig in der Mehrzahl sind, nutzen dies aus, um vollendete Tatsachen zu schaffen, um sich ein Groß- Serbien zu erobern. Doch sollte dies zustande kommen, würde diese den anderen Minderheiten genauso wenig Rechte zugestehen wie den Kosovo-Albanern. Es ist geradezu lachhaft, wie die von Serben bewohnten Landesteile sich ihre Unabhängigkeit nehmen, in den von anderen Minderheiten bewohnten Landesteilen, die gleiche Masche — nur umgekehrt zur Illegalität erklärt wird. N.N.
[Name ist der Redaktion bekannt]
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