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Gute Karten beim Bremer Ampelpoker

■ Erste Zugeständnisse an die grüne Basis/ Verkehrsknoten durchschlagen/ Spar-Skalpell bleibt gezückt

Bremen (taz) — Nach dreieinhalbtägigem Verhandlungspoker gab es gestern in der bremischen Bürgerschaft überwiegend freundliche Mienen: Die Gespräche über eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP kommen zügig voran. „Es gibt den Willen, zu einem guten Ende zu kommen“, resümierte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier gestern. „Das Verhandlungsklima ist nach wie vor gut.“

Daß sich nach zwei Tagen der Stagnation zum Schluß doch noch etwas bewegte, hat einen einfachen Grund. Für den gestrigen Abend hatten die Grünen eine Mitgliederversammlung einberufen, auf der darüber abgestimmt werden sollte, ob die Verhandlungen fortgeführt werden. Vor 14 Tagen hatte es nur eine knappe Sechs-Stimmen-Mehrheit für die Ampel gegeben. Jetzt sind auch die Ampel-Skeptiker in der Grünen- Verhandlungskommission für Weiterverhandeln. Denn die FDP hat sich in mehreren Punkten deutlich auf die Grünen zubewegt.

Im kommunalpolitisch brisantesten Thema Verkehrspolitik soll die Ampel auf Grün für Bahn und Bus gestellt werden. Eine wichtige Zufahrtsstraße zur Innenstadt soll geschlossen, Fußgängerzonen sollen ausgeweitet werden. Im Gegenzug rückten die Grünen von den Position „Kein Meter Beton“ ab und akzeptierten, daß ein Industriestandort in Bremen an das Autobahnnetz angeschlossen wird.

Punkte sammelten die Grünen auch in der Frage, wie die künftige Wirtschaftspolitik gestaltet werden soll. Die 280 Millionen Mark, die das finanzschwache Bremen jährlich für Wirtschaftsförderung ausgegeben hat, waren bislang nach dem Gießkannenprinzip an bremische Betriebe vergeben worden. Dies soll künftig ausgeschlossen werden. In Zukunft soll das Geld verstärkt in umweltfreundliche Technologien gesteckt werden. Ein Streitpunkt, der die grüne Seele stark bewegt, wurde allerdings zunächst unter „Dissens“ abgelegt: Braucht Bremen weitere Gewerbeflächen auf grüner Wiese?

Für die FDP wird sich eine Regierungsbeteiligung vor allem in der Schulpolitik und bei der Reform des öffentlichen Dienstes stellen. Sie verlangt eine Novellierung des bremischen Schulgesetzes, das bislang Gymnasien ausschließt. Schwerer noch wird es der SPD fallen, das Personalvertretungsgesetz zu verändern. Bislang haben die Personalräte fast jede Möglichkeit, beispielsweise Versetzungen von Beamten oder eilprivatisierungen des öffentlichen Dienstes zu verhindern.

Über diese Fragen soll in der kommenden Woche in Arbeitsgruppen weiterverhandelt werden. Erst danach kommt die entscheidende Runde: denn der bislang verhandelte Konsenskatalog sieht eine Reihe teurer Maßnahmen wie Ausbau von Schulen, Kindergärten, Universität und mehr Geld für Kultur vor. All dies kann das hochverschuldete Land nur dann finanzieren, wenn an anderer Stelle einschneidend gespart wird. Mit Genugtuung erinnerte Bürgermeister Klaus Wedemeier denn auch gestern an ein Wort des grünen Verhandlungsführers Ralf Fücks: „Wir werden mit dem Skalpell einschneiden.“ Und auch FDP- Chefunterhändler Claus Jäger meinte: „Da lassen wir ihn nicht mehr raus.“

Bis zur Wahl eines neuen Senats werden noch Wochen ins Land gehen. Die Wahl der Senatoren ist für den 11. Dezember vorgesehen. Von den wahrscheinlich zehn Senatsposten werden sechs an die SPD und je zwei an Grüne und FDP gehen. hbk

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