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Asylbewerber weiter auf der Flucht

■ Die aus Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein geflüchteten Asylbewerber sollen zurück/ Polizei war von anrückenden Hooligans informiert/ Minister will nichts gewußt haben

Berlin/Greifswald/Norderstedt (taz) — Die aus Greifswald geflüchteten Asylbewerber sind weiter auf der Suche nach einer neuen Bleibe. In Mecklenburg-Vorpommern gerät derweil der dortige Innenminister Diederich (CDU) unter Druck. Nach dem Angriff von Hooligans auf das Asylbewerberheim in Greifswald weist er jede Schuld von sich. Er behauptet, es habe keine Warnung vor anreisenden Hooligans aus Berlin gegeben. Die Polizei in Greifswald berichtet das Gegenteil. Die mecklenburgische SPD forderte gestern Diederichs Rücktritt, weil er ein Sicherheitsrisiko für das Land sei.

Die für Sporteinsätze zuständige Berliner Polizei hatte die Greifswalder Kollegen am 31. Oktober präzise informiert, daß rund 200 Fans des FC Berlin am Sonntag vormittag mit drei gecharterten Bussen in Greifswald eintreffen würden. Selbst die Kennzeichen der Busse und die voraussichtliche Ankunftszeit war bekannt. Trotzdem wurden die Busse in der Nähe des Stadions, unmittelbar gegenüber dem Asylbewerberheim geparkt.

Nach Angaben des Greifswalder Polizeikommissars Frank Möller gab es bereits vor Spielbeginn Auseinandersetzungen. Hooligans griffen Passanten und andere Fans vor dem Stadion an. Anschließend stürmten rund 60 Hools zu dem gegenüberliegenden Heim, bewarfen es mit Flaschen und Steinen. Das Heim wurde von rund 15 Beamten bewacht.

„Wir haben nicht mit einem Angriff auf das Asylbewerberheim gerechnet“, berichtet Möller. „Darum waren die meisten unserer Beamten, etwa 60, im Stadion postiert.“ Die Fußballfans hätten Schreckschüsse und Leuchtmunition abgefeuert. „Unsere Beamten sind so in Bedrängnis gekommen, daß sie möglicherweise von der Schußwaffe Gebrauch machten.“

Nach anderslautenden Informationen aus Polizeikreisen stürmten rund 60 Berliner Hooligans während der ersten Spielhälfte aus dem Stadion und griffen das Asylbewerberheim mit Flaschen und Steinen an. Aufgrund des Einschreitens von sechs Berliner Beamten, die in letzter Minute von Greifswald „zur Beratung“ angefordert worden waren, konnte eine Stürmung verhindert werden. Die Asylbewerber verbarrikadierten sich drinnen, während die Fans den Rückzug ins Stadion antraten.

Nach Spielende hätten über 100 Hools erneut versucht, das Heim zu stürmen, seien aber von der Polizei zurückgedrängt worden. Dabei seien 25 der Angreifer festgenommen worden. Ein Polizist habe mit der Pistole in die Luft geschossen, obwohl keine unmittelbare Gefahr bestanden habe.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Diederich läßt trotzdem weiterhin verbreiten, ein Angriff auf das Heim hätte gar nicht stattgefunden, nur Randale davor. Er sprach von einem politischen Kidnapping der Flüchtlinge durch Linke und forderte die nach Westdeutschland geflüchteten Asylbewerber auf, nach Greifswald zurückzukehren. Es bestünde keine Gefahr. Polizeikommissar Möller aus Greifswald dagegen: „Wir können keine Garantie für die Sicherheit übernehmen.“

Die Odyssee der am Sonntag aus Greifswald nach Neumünster geflohenen AsylbewerberInnen geht unterdessen weiter. Nachdem der Vorstand der neumünsteraner Anschar- Kirchengemeinde am Montag abend den Flüchtlingen seine Unterstützung verweigerte und sich für eine sofortige Rückkehr nach Mecklenburg-Vorpommern aussprach, packten die 63 Frauen, Männer und Kinder, die die Nacht im Gemeindehaus verbracht hatten, das Notwendigste zusammen und fuhren gestern in aller Frühe heimlich nach Norderstedt vor den Toren Hamburgs. Aber auch dort können sie nicht lange bleiben.

Gegen neun Uhr erreichte der Konvoi von Privatautos die evangelische Schalom-Kirche. Dieser Ort war von den autonomen Unterstützergruppen, die sowohl die Flucht aus Greifswald als auch die gestrige Aktion organisiert hatten, bereits am Sonntag als Ziel anvisiert worden. Als es am Montag zunächst hieß, die Flüchtlinge würden nach Norderstedt kommen, zeigten sich die Kirchenfrauen und -männer noch einverstanden. Gestern allerdings reagierten sie eher unfreundlich auf den überraschenden Besuch.

Der Grund: Der Vorstand der Schalom-Gemeinde schließt sich inzwischen der Erlärung des neumünsteraner Kirchen-Gremiums an. Darin wird nicht nur die sofortige Rückkehr der AsylbewerberInnen nach Greifswald befürwortet, sondern auch bedauert, daß die Flüchtlinge übereilt nach Westdeutschland gebracht worden seien. Beide Kirchenvorstände gehen also konform mit Schleswig-Holsteins Sozialminister Günther Jansen (SPD). Dieser betonte gestern nochmals, daß der Rechtsstaat vor der Gewalt Rechtsradikaler nicht weichen dürfe. Es dürfe den Schlägern nicht überlassen bleiben zu bestimmen, ob und wo es in Deutschland ausländerfreie Zonen gebe.

„Wir gehen nicht zurück“, beteuerte gestern einer der Sprecher der Flüchtlinge. Ihnen seien zuviele leere Versprechungen gemacht worden. So habe man ihnen in Aussicht gestellt, daß sie in der Greifswalder Unterkunft von Polizisten bewacht würden und es eine Alarmanlage gebe. Doch von alledem sei nichts zu sehen gewesen. bam, plu, sini

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