: DVU: Politik mit leeren Stühlen
■ In Gröpelingen verzichten beide DVU-Kandidaten auf ihr Beirats-Mandat
Daß die DVU-Vertreterin Karin Savarino die konstituierende Sitzung des Beirates in Gröpelingen am Dienstag Abend demonstrativ und wortlos verließ, hatte im Saal offensichtlich niemand bemerkt. Auch, daß sie zuvor die politischen Fensterreden und Absichtserklärungen der demokratischen Parteien gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit nicht nur angehört, sondern sogar aktiv mit ihrem Abstimmungszeichen unterstützt hatte, merkte wohl niemand: Keine Raktion, keiner griff dies in den Wortmeldungen auf.
„Der Beirat kann mit mir nichts anfangen, und ich kann mit dem Beirat nichts anfangen“, erklärte die DVU-Frau, als Journalistinnen sie vor der Tür anhielten, und genauso sei es mit der Partei. Sie werde jetzt nach Hause gehen, zu ihrem sizilianischen Ehemann, und der Partei ihren Rücktritt erklären. Ihr Mandat werde sie nicht wahrnehmen: „So einfach ist das.“
Karin Savarino ist eine von zwei KandidatInnen, die 1.796 Gröpelinger (=10,7 Prozent) direkt in den neuen Beirat gewählt haben. Oskar Teichreber, den die DVU mit ihr in den Wahlkampf schickte, hatte bereits vor anderthalb Wochen dem Landeswahlleiter schriftlich mitgeteilt, daß er sein Beirats-Mandat nicht wahrnehmen werde: Teichreber ist 82 Jahre alt. In der kommunalpolitischen Szene in Gröpelingen war er zuvor nie aufgetaucht, und in die Sitzung der Beirates am Dienstag abend kam er natürlich auch nicht.
Karin Savarino kennt ihn nicht. Sie selbst war bis zum Dienstag abend noch nie in einer Beiratssitzung. Zu ihrer Kandidatur ist sie dann auch eher wie die Jungfrau zum Kind gekommen: „Die ha'm mich da in eine Sache hineingeschaukelt, die ich nicht überblicken konnte.“
Angerufen habe man sie, die schon lange in der DVU- Mitgliedsliste stehe, beim Kotelett-Braten. Ob sie denn auch DVU wähle, sei sie gefragt worden. Auf ihr Ja habe man ihr dann erwidert: „Genau das brauchen wir“, und ob sie denn bereit sei, zu kandidieren? Was dies bedeutet, hatte Karin Savarino erst im Wahllokal gemerkt — als eine Nachbarin ihren Namen ganz unten auf der Kandidatenlisten entdeckte.
„Da wurde mir ganz schlecht“, beteuert Frau Savarino und zieht an ihrer Zigarette. Aber sie habe doch einen Wahlkampf durchgestanden....? „Hören Sie auf. Gar nix habe ich durchgestanden.“ Reingerutscht sei sie, wie gesagt.
Karin Savarino, die 43jährige Verwaltungsangestellte, war mit einem Türken verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Seit vier Jahren ist sie Ehefrau eines Sizilianers. Die beiden Söhne haben fast nur ausländische Freunde: „Kommen Sie mal in mein Wohnzimmer, das ist Multikultur in Reinform“, sagt sie. Gegen Ausländer habe sie wirklich nichts.
Wie sie dann in der DVU sein könne? „Deutschland muß deutsch bleiben“, das finde sie allerdings auch: „Weil Deutschland nicht in der Lage ist, die Leute vernünftig zu ernähren und unterzubringen.“
Insgesamt werde viel zu viel für Waffen ausgegeben. Ob ihre Familie ihre Kandidatur denn unterstützt habe? „Die haben gesagt, Karin mach das mal. Vielleicht kannst Du ja dort etwas für uns tun.“ Für die Jugendlichen in Gröpelingen, wie für sie alle in der Tucholskystraße, gebe es viel zu wenig Möglichkeiten. „Aber ich bin hier nutzlos“, geht sie nach anderthalb Stunden resigniert nach Hause.
Die Sitze der DVU werden damit für den Rest der Legislaturperiode unbesetzt bleiben: Da sie keine weiteren Kandidaten auf der Liste hatte, kann sie keine Nachrücker bestimmen. ra
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