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Das Embargo gegen Haitis Putschisten beginnt zu greifen

■ Energie- und Lebensmittelversorgung steht vor dem Zusammenbruch/ Ausländer sollen das Land verlassen/ Rufen die Militärs Aristide bald zurück?

Managua/Berlin (taz) — Fünf Wochen nach dem blutigen Staatsstreich beginnt das Putschistenregime in Haiti jetzt die Auswirkungen des fast weltweiten Wirtschaftsembargos zu spüren. Zu Wochenbeginn bildeten sich endlose Schlangen vor den Tankstellen, wo der knappe Treibstoff nur mehr rationiert ausgegeben wird. Während die Preise für Lebensmittel, die großteils aus der benachbarten Dominikanischen Republik hereingeschmuggelt werden, in unerschwingliche Höhen geschnellt sind, ist die von den Putschisten zusammengewürfelte Interimsregierung völlig aktionsunfähig. In Erwartung sozialer Eruptionen wollen mehrere europäische Botschaften ihre Landsleute aus der Karibikrepublik evakuieren.

Der deutsche Botschafter Heinz Berg hat diese Woche im Auftrag des Auswärtigen Amtes alle in Haiti lebenden Deutschen aufgefordert, aus Sicherheitsgründen das Land zu verlassen. Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn erklärte, sei die „Gefährdungslage“ heute größer als in den Tagen des Putsches; außerdem sei aufgrund des Handelsembargos die Stromversorgung „nicht mehr gewährleistet“. Die Ausreiseempfehlung — die zweite in zwei Wochen — soll mit den anderen EG- Mitgliedsstaaten abgesprochen sein, und diese sollen an ihre Staatsbürger in Haiti ähnliche Empfehlungen ausgesprochen haben.

Unmittelbar nach dem Putsch vom 30. September, der den konstitutionellen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide ins Exil zwang, wurden bereits die Experten der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die in mehreren Ministerien als Berater dienten, abgezogen. Die Botschaft empfahl ihnen, Urlaub zu nehmen. Jetzt befinden sich noch etwa 230 bis 240 Deutsche in Haiti.

UNO-Personal wie auch US-amerikanische Entwicklungshelfer sind teilweise ebenfalls schon abgezogen worden. Die verbleibenden Ausländer in Haiti müssen sich im Rahmen strenger Sicherheitsdispositive in den Städten aufhalten.

Boykottiert von den zwölf EG- Staaten und den 34 Ländern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kann das Marionettenregime des provisorischen Präsidenten Joseph Nerette nicht lange überleben. Rund 62 Millionen DM an deutscher Finanzhilfe, die bereits in der Pipeline stecken, bleiben eingefroren. Auch Frankreich und die USA, die beiden größten Wirtschaftspartner des Landes, stoppten sämtliche Entwicklungsgelder.

Die am 3. Oktober von der OAS ausgesprochene Embargoempfehlung, die die diplomatische Isolierung des Regimes sowie die Suspendierung aller wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit mit Haiti vorsieht, wird seit Dienstag auch von den USA und Kanada befolgt, nachdem Washington lange nach Kompromißformeln gesucht hatte, wie die Verfassungsmäßigkeit auch ohne Rückkehr des unbequemen Aristide wiederhergestellt werden könnte.

Während der Putschistenführer General Cedras sich unbeeindruckt vom Embargo gibt, fürchtet der vom Interimspräsidenten Nerette eingesetzte Ministerpräsident Jean-Jacques Honorat bereits um sein Amt: Er beschuldigte am Montag die Völkergemeinschaft, ein Komplott und eine militärische Intervention gegen Haiti auszuhecken. Doch nicht einmal die gestürzte Regierung befürwortet heute eine bewaffnete Aktion. Aristide baut darauf, daß die Sanktionen bald greifen und er zur Rückkehr eingeladen wird. Der Senat in Port-au-Prince hat bereits Verhandlungen mit einer zivilen Kommission der OAS akzeptiert, die am Freitag in Haiti eintreffen soll. Im Umkreis der Kommission ist zu hören, daß die Abhaltung von Neuwahlen, bei denen Aristide kandidieren können müßte, die Zustimmung der OAS finden könnte. rl/D.J.

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