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Das Finden des Selbst

■ Esoterik-Messe im Ernst-Waldau-Theater bot einen Jahrmarkt der Möglichkeiten hier bitte das Foto mit dem Schattenriß-Mann

„Soll ich Dir Licht auf Dein drittes Auge geben?“Foto: Tristan Vankann

Durch den Saal schwirren fernöstlich anmutende Töne: Gongs hallen, monoton untermalt durch das Sirren eines ziehharmonika-ähnlichen Instrumentes, dazu Stimmengewirr: Angeregte Diskussionen über Ergebnisse der letzten Reinkarnationssitzung oder Heilerfolge der Tochter durch Energieübertragung via Telefon. Mitten in diesem Durcheinander sitzen sich hinter einem Stand zwei Leute mit geschlossenen Augen gegenüber und nehmen von der Außenwelt überhaupt keine Notiz. Was dort gerade stattfindet, ist „Chakralesen — eine Entdeckungsreise“.

Am Wochenende fand die Esoterik-Messe im Ernst- Waldau-Theater in Walle statt. Das ganze Spektrum, das die „Esoterik-Scene“ zu bieten hat, war zu einem Jahrmarkt angereist und bot Informationen und Wege zu sich selbst. Käuflich zu erwerben war alles von der Natur-Kosmetik über Edelsteine bis zum Aura-Foto und Videos über die Sitzungen eines „Channeling-Mediums“.

An den Ständen der 26 AusstellerInnen, darunter fünf aus Bremen, ist zum Beispiel von einem Wünschelrutengänger zu erfahren, daß mitten im Theater zwei Wasseradern zusammenlaufen. An anderen Ständen geht es mehr um das innere Eingemachte; überall schwirren Sätze wie „Du nimmst die falsche Frequenz...“, „Ich verhelfe Dir zu einem tieferen Kontakt zu Deinem momentanen Sein...“, oder „Soll ich Dir Licht auf Dein drittes Auge geben?“.

So reden längst nicht mehr nur ein paar übriggebliebene Sanyassins und als „Möchtegern-Weltverbesserer“ Verschrieene. Das Bremer Publikum ist total gemischt: Vom selbständigen Handelsvertreter bis zur Ottilie Normalverbraucherin und der pluderbehosten Studentin ist alles vertreten. Viele BesucherInnen interessieren sich für einen bestimmten Bereich, haben aber „eigentlich mit Esoterik nichts am Hut“, so ist vielfach zu hören.

Der Renner unter den Messe-Vorträgen: Die Einführung in das Obertonsingen mit Jörn Raeck. Der ist ganz angetan von den BremerInnen: „So begeistert machen die Leute in anderen Städten nicht mit.“

Eine andere Attraktion: „Lichtgeben“. Am Stand von „Sukyo Mahikari“ kann sich jede hinsetzen und von den Mitgliedern des Vereins mit „innerer Energie“ bestrahlen lassen. „Das ist eine Methode zur Läuterung und Reinigung der Seele“, wird der Interessierten erklärt. „Entspannend“ findet eine Besucherin die Prozedur, „innerlich fühle ich mich irgendwie offener.“ Susanne Kaiser

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