: Wohnungsleerstand: Keine geeigneten Mieter gefunden
■ Durch die Zweckbindung von bezirkseigenen Wohnungen und Gebäuden stehen zahlreiche Unterkünfte leer, die Bedürftigen gegeben werden könnten
Berlin. Berlin schreit nach mehr Wohnraum. Obdachlose besetzen eine Baubaracke am Hegelplatz in Mitte. Der Sozialsenat schlägt sich öffentlichkeitswirksam mit betrügerischen Billigpensionen herum. Zahlreiche junge Erwachsene haben zwar einen Beruf, aber keine Wohnung. Frau Stahmer rät den Bezirken, Häuser sowie Wohnungen zu mieten und von freien Trägern betreiben zu lassen, um sich aus der Erpressbarkeit durch die Pensionen zu befreien. Dabei brauchen die Bezirke gar nichts zu mieten.
Die Bezirke sind im Besitz von Wohnraum und lassen diesen leerstehen. Beispiel: Holländer Straße in Reinickendorf. Dort gibt es ein Seniorenwohnhaus, das vom Bezirksamt Wedding verwaltet wird. In drei Häusern mit zusammen 187 Wohneinheiten stehen mindestens 40 seit Jahren leer. Versuche von seiten des Bezirksamtes, wieder alte Menschen in die Häuser zu bekommen, schlugen fehl. Die Häuser sind Anfang der 60er Jahre mit zinslosen Krediten der Wohnungsbaukreditanstalt (WBK) gebaut worden; Laufzeit 60 bis 80 Jahre. Sie entsprechen nicht mehr dem Standard, den sich alte Leute heute zumuten wollen: nur ein Bad pro Etage und kein warmes Wasser in den Wohnungen. Aber es handelt sich um billigen Wohnraum. Die alten Leute hätten nur 250 Mark pro Monat zu zahlen. Bleibt die Frage: Warum überläßt man die Wohnungen nicht anderen Menschen? In der zuständigen Sozialbehörde im Wedding wird mit der Zweckbindung des Wohnraumes argumentiert, die nicht verändert werden dürfe, da die Häuser mit Mitteln der WBK gebaut worden sind. Allerdings ist die Modernisierung der Wohnungen auch nicht möglich, da kein Geld dafür vorhanden ist. Konzequenz: Die Wohnungen bleiben leer, bringen keine Mieteinnahmen — bei 40 Wohnungen immerhin 10.000 Mark im Monat — und kosten den Bezirk dazu noch Geld für die Verwaltung, den Hausmeister etc.
Ob der Leerstand bei der WBK überhaupt gemeldet ist und von dort dafür eine Genehmigung erteilt worden ist, war nicht zu erfahren. Fragt man bei der WBK nach, ob man die Zweckgebundenheit wirklich so eng handhabe, hört man von dort ganz andere Töne. »Es ist bei uns durchaus Praxis, auf Antrag beim Nachweis der Schwervermietbarkeit von Wohnraum Ausnahmegenehmigungen zu erteilen«, so der zuständige WBK Sachbearbeiter Klaus-Dieter Kleiner gegenüber der taz. Das habe man in der Vergangenheit auch getan, um Wohnraum für Asylbewerber, Aussiedler, Zuwanderer oder für Resozialisierungsprojekte zu schaffen.
Der verantwortliche Leiter der Heimaufsicht für den gesamten Berliner Altenbereich, Walter, bestätigt der taz gegenüber den Leerstand, gibt aber zu bedenken, daß man den alten Menschen nicht beliebige Nachbarn ins Haus setzen könne — seien es nun Obdachlose, Asylbewerber oder einfach junge Menschen. Die älteren Menschen wären in diesen geschützten Bereich gezogen, mit der Voraussicht, daß dieser auch erhalten bleibe. Er gesteht aber zu, daß man sich über veränderte Nutzungen Gedanken machen müsse, wenn der Leerstand weiter zunehme, was man in der Vergangenheit bei anderen Objekten bereits getan habe.
Bleibt die Frage, wer sich die Gedanken machen soll. Im Bezirk Wedding ziehen sich die Verantwortlichen statt aufs Denken auf die Zweckbindung zurück. So ganz ernst nimmt man es damit allerdings auch im Wedding nicht. In den Altenwohnungen der Holländer Straße wohnen zur Zeit einige Sozialarbeiter und Erzieher, alles nach Berlin zitierte ehemalige Mitarbeiter eines heilpädagogischen Heimes des Bezirks in Westdeutschland, das demnächst geschlossen werden soll. Peter Huth
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