Auch türkisches Giftgas gegen Kurden?

Giftgas als Waffe gegen die eigene kurdische Bevölkerung setzen möglicherweise nicht nur die irakischen, sondern auch die türkischen Militärs ein. Dafür sprechen Aussagen eines von der kurdischen Guerillaorganisation PKK gefangenen türkischen Offiziers, gegenüber Reportern der in der Türkei erscheinende prokurdische Zeitung „Yeni Ülke“. Das Blatt zitiert den seit September von der PKK in „Kriegsgefangenschaft“ gehaltenen Soldaten mit den Worten: „Chemische Waffen werden sehr breit eingesetzt. Die Opfer, deren Leichen, sie nicht den Angehörigen geben, sind hundertprozentig durch chemische Waffen getötet worden.“ Am häufigsten verwende das Militär ein „Gas aus einer Cyanverbindung“, das das menschliche Nervensystem und das Gehirn angreife. „Wenn sich am Körper kleine Punkte bilden, ist das ein Indikator dafür, daß Cyan verwendet wurde,“ beschrieb der Offizier demnach die Wirkung des Giftes. Um die verseuchten Leichen wegzuschaffen müßten die Soldaten Handschuhe anziehen, sie in Plastikplanen hüllen oder mit Seilen davonzerren. Das bisher letzte Mal hätten die Militärs am 10. Juli bei Gefechten mit der PKK in Sirvan bei Siirt Giftgas eingesetzt. Die türkische Regierung bestreitet, daß ihre Armee überhaupt chemische Kampfstoffe in ihrem Arsenal hat. 1989 veröffentlichte die linke türkische Zeitschrift „Ikibine Dogru“ aber ein dienstinternes Handbuch des türkischen Generalstabschefs General Necdet Öztorun, in dem detailliert beschrieben wird, wie „Unterschlupfe und Zufluchtsorte von subversiv-separatistischen Organisationen, Höhlen und tunnelartige Gänge in den Bergen“ mit Giftgas und „speziell gezüchteten giftigen Insekten“ regelrecht auszuräuchern seien. Als im Juni 1989 und im Januar 1990 hunderte von in die Türkei geflüchteten irakischen Kurden Anzeichen von Vergiftungen mit einem starken Nervengift aufwiesen, erklärte der irakische Kurdenführer Massud Barzani, der irakische Geheimdienst habe in Zusammenarbeit mit türkischen Militärs die Lebensmittel, der in Lagern lebenden Flüchtlinge vergiftet. Die Türkei verweigerte damals unabhängige Untersuchungen der Vergiftungen. Thomas Dreger