: Israels Polizei will Aschrawi anklagen
Tel Aviv (taz) — Die israelische Polizei will Chanan Aschrawi, die Sprecherin der palästinensischen Delegation in Madrid, wegen PLO- Kontakten vor Gericht bringen. Verbindungen zur Palästinensischen Befreiungsorganisation sind in Israel verboten und werden mit bis zu drei Jahren Knast bestraft. Als einzigen Beweis führt die Polizei ein Interview an, das Aschrawi im jordanischen Fernsehen gegeben hat; darin bekannte sie sich zu persönlichen Kontakten zu PLO-Vertretern. Unterstützung findet das Ansinnen der Ordnungshüter bei den Ultrarechten, Kritik wird von seiten der Arbeiterpartei und der Peace-Now-Bewegung laut. Über eine Eröffnung des Verfahrens müssen der Oberste Staatsanwalt und der Rechtsberater der Regierung entscheiden, die in einem derart brisanten Fall sicherlich eine Rückversicherung bei Ministerpräsident Schamir einholen würden.
Es ist wahrscheinlich, daß die US- Regierung dem gestern in den USA eingetroffenen israelischen Regierungschef ihre Mißbilligung eines möglichen Gerichtsverfahrens unmittelbar klarmachen wird. Und auch auf dem internationalen Parkett würde eine Anklage gegen die Palästinensersprecherin, die bei der Friedenskonferenz allgemeine Anerkennung erntete, die israelische Regierung harscher Kritik aussetzen.
Schamir hatte kurz vor seinem Abflug in einem Fernsehinterview noch en passent eine abfällige Bemerkung zu Aschrawi fallen gelassen und wiederholt, daß Israel keineswegs die Macht in den besetzten Gebieten in die Hände der Palästinenser legen will. Trotz dieser erneuten Betonung einer harten Linie wird sich die israelische Regierung eine Anklage gegen Aschrawi gut überlegen. Das Verfahren könnte sich nämlich sehr schnell als Bumerang herausstellen, indem sowohl jüdische als auch arabische Verteidiger die israelische Politik zum Thema machen und so auf der Anklagebank setzen.
Es ist kein Geheimnis, daß die palästinensische Delegation in Madrid in Absprache mit der PLO in Tunis handelte. Und ebenso klar ist, daß US-Außenminister Baker bei seinen Vorverhandlungen die PLO einbezogen hat. Knessetmitglied Abraham Burg von der Arbeiterpartei hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Mitgliedern der Palästinenserdelegation Immunität garantieren soll. Bisher lehnte Regierungschef Schamir einen solchen Schutz der Verhandlungspartner ab. Amos Wollin
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