: Der Mann aus den 70ern
■ Nils Lofgren zu Gast im Modernes / Komplex und karg, kräftig, frisch
Seit 15 Jahren fristet Nils Lofgren ein für Popmusiker recht unbefriedigendes Dasein: Während die Kritiker seit seiner Trennung von Neill Young seine Soloproduktionen allesamt hochlobten, zeigte das internationale Publikum nur mäßiges Interesse. Er mußte zurück ins zweite Glied, als Nachfolger von Steve Van Zandt spielt er Gitarre in Bruce Springsteens E-Street-Band — ein Rückschritt für den quirligen Gitarristen, dessen eigene Musik immerhin origineller ist als das Hammer-Werk vom Boss: Zwischen 1976 und den frühen 80ern mischte er unbekümmert gefühlvollen Westcoast, Mainstream mit streightem Southern-Rock und britischem Pop, komplex und seltsam karg zugleich, zu gebrochen für den großen Durchbruch, zu glatt für die nach Kult forschenden Avantgardisten: Es reichte nicht — „No mercy“.
Heuer, beim zweiten Anlauf, reicht es imerhin für ein passabel gefülltes, recht bunt gemischtes Modernes. Er beginnt mit einigen akustischen Balladen. Sofort erweist sich die früher eher dünne, unsichere Stimme als überraschend gefestigt, er phrasiert perfekt und unangestrengt. Während der dritten Ballade betritt die Band die Bühne, das Stück wird zu einer mächtig powernden Version von „Rock'n Roll Crook“. Der Gesang bleibt treibend und präzise, die Gitarre schmalzt und kracht im Wechsel, sein zurückhaltend agierendes Quartett liefert satten Groove: Im neuen, harten Outfit wirken die zum Teil mehr als 15 Jahre alten Stücke zeitlos frisch. Im Mittelteil, mit einigen glatten neueren Stücken, lassen Spannung und Druck ein wenig nach, doch gegen Ende, mit dem sarkastischen Anti-Box- Song „No Mercy“ als Highlight, findet er zur anfänglichen Kraft zurück. Neue Wege weist Nils Lofgren nicht, aber überzeugender kann man „Contemporary Rockmusic“ kaum über die Bühne bringen. Bescheiden ist er auch: Am Schluß, in „I came to dance“, singt er: „I'm not Bob Dylan, but I don't miss a beat.“ Eine Sache der Betonung.
Die Anfangszeiten der Konzerte im Modernes nähern sich inzwischen unaufhaltsam den Schließzeiten der Kindertagesstätten. Die Vorgruppe „Gypsy & Kyss“, Hardrocknachwuchs aus Seattle um den vielversprechenden Sänger, Gitarristen und Songwriter Michael Dickes, schöpfte schon um kurz nach halb acht aus dem vollen. Vor fast leerem Saal natürlich. Rainer Köster
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