Ivan Lendl will Sportjournalist werden

Andre Agassi verliert im Halbfinale gegen Jim Courier/ Ivan Lendl scheidet gegen Sampras aus Zwei US-Friends stehen in Frankfurt im Finale der ATP-Weltmeisterschaft  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Perfektionist Ivan Lendl zeigte Nerven. Nach seiner Zweisatzniederlage im Halbfinale der ATP-Weltmeisterschaft in Frankfurt gegen Pete Sampras (6:2 und 6:3) brachte ihn auf der obligatorischen Pressekonferenz die schlichte Feststellung eines US-amerikanischen Journalisten, daß er in diesem Jahr schon mehrfach eingeräumt habe, „trouble with big hitters“ zu haben, auf die Palme. Lendl: „Wer soll das gesagt haben?“ Reporter: „Sie auf ihrer letzten Pressekonferenz.“ Lendl: „Woher wollen Sie das wissen, Sie waren doch nicht dabei?“ Reporter: „Ich habe die ,Notes‘ gelesen.“ Lendl: „Oh! Wunderbar! Ein Sportjournalist glaubt also, was er liest. — Come on, come on, ich glaube das nicht. Ich sage Ihnen, glauben Sie nicht, was Sie lesen.“ Reporter: „Wer stellt hier eigentlich die Fragen?“ Lendl: „Ich! Sie können zwar auch Fragen stellen, aber ich muß sie nicht beantworten.“

Der „Shoot-out“ durch den elf Jahre jüngeren Sampras hatte den bis zu diesem Sonnabend souveränsten Crack des Turniers hart getroffen. Und es waren tatsächlich die „Big Hits“, die den Tschechoslowaken aus dem Turnier warfen. Lendl: „Immer wenn ich auf dem Weg zum Break war, hat er mich geasst (he aced me) — und immer hat er seinen ersten Service knallhart aufs Feld gebracht.“ Also doch Probleme mit „Big Hitters“? Bislang, so der überraschte Lendl, habe Sampras noch nie so hart aufgeschlagen. Und deshalb habe er mit „Little Pete“ — mit Ausnahme dieses einen Spiels — noch keine Probleme gehabt.

Der Ästhet Lendl mag sie nicht, die Klopper, die mit Kraft ein Spiel zu ihren Gunsten entscheiden können. Und auch das Publikum in der Festhalle unterstützte den Schönspieler: „Come on, Ivan!“ Doch Sampras ist nicht Stich. Wie eine Tennismaschine roboterte sich der 20jährige aus Florida durch das Match, donnerte Lendl seine „Fast- Speed“-Aufschläge um die Ohren und ließ so den am Ende genervten Altmeister aus Ostrava nie ins Spiel kommen. Der schlug aus Verzweiflung einen Filzball bis zur Hallenkuppel. Pete Sampras meinte später: „Das waren wahrscheinlich die zwei besten Sätze, die ich je gespielt habe.“ Doch Sampras sagte auch, daß für ihn Boris Becker nach wie vor die Nummer eins in der Welt sei. „Weil seine Returnspiele, seine Aufschlag-Returnspiele und seine Angriffspiele stärker sind als meine“.

Sampras muß es wissen, denn „Bobbele“ schlug den „Sunny Boy“ am Freitag in seinem letzten Vorrundenspiel in drei Sätzen. Das war exakt ein Satz zuviel, denn „Leberwurst“-Stich hatte gegen Andre Agassi keine Chance (7:5 und 6:3). So schied Becker trotz seiner beiden Siege aus, und Agassi und Sampras zogen ins Halbfinale. Hätte Stich gegen Agassi gewonnen, wäre B.B. im Semifinale gewesen — eine delikate Variante, denn der Leimener hätte dem Elmshorner danach wohl ewig dankbar sein müssen. „Ich hab ihm etwas angeboten, aber er hat nicht reagiert“, flachste Becker nach seinem Match gegen Sampras und vor dem Spiel Stich/Agassi.

So glaubten am Ende nicht wenige Journalisten, daß B. B. sich lieber aus dem Turnier verabschiedete, als seinem deutschen Widerpart Stich auf den Knien für einen Einzug ins Halbfinale danken zu müssen.

In diesem Halbfinale standen sich am Sonnabend im zweiten Spiel dann Andre Agassi und Jim Courier gegenüber. Daß drei US-Boys das Halbfinale erreicht hatten, fand Agassi „great“. Und deshalb kam er zur Pressekonferenz nach dem Match gegen Courier in einer Stars- and-Stripes-Lederjacke — als Alice Cooper des Supreme-Court. Doch der vielumjubelte Nevada-Mann kam als Loser. Nach nur 38 Minuten hatte Courier, der noch am vergangegen Dienstag sagte daß er „so dammed tired“ sei, seinem langmähnigen Landsmann mit 6:3 den ersten Satz abgenommen. Agassi war der Liebling der Massen. Und mit dem Beifall der 9.000 Zuschauer im Rücken, konnte der Cowboy den zweiten Satz ausgeglichen gestalten und sogar ein Break vorlegen — bis zum verflixten siebten Spiel. Da rebreakte der scheinbar nervenlose Courier den Buntspieler aus Las Vegas. Und Agassi warf wütend seinen Schläger in die Ecke. Danach gings für Agassi bergab. Courier gelang im elften Spiel das zweite Break und danach schaukelte er sein eigenes Spiel zu null nach Hause. „Ich hab den Ball diesmal sauber getroffen“, sagte Jimmy Courier nach dem Spiel. „Spaß gemacht“ habe das Match, auch wenn er nach wie vor „so tired“ sei. Schon ganz blaß sei er in den langen Wochen geworden, die er in der alten Welt habe verbringen müssen: Florida-Dreaming on such a winters day.

So bestritten die US-Boys Courier und Sampras gestern abend das Finale dieser ATP-Weltmeisterschaft 1991. Freunde seien sie, hatte Courier am Vorabend gesagt: „Wir sind beide junge Amerikaner — und da ist diese Freundschaft nur natürlich.“ Kein Mensch habe vor dem Turnier erwartet, daß er im Finale stehen würde. Ein „Great Fight“ sei zu erwarten, denn „Sampras serviert Bomben“ (Courier).

Int. Damen-Turnier in Philadelphia, Halbfinale: Monica Seles (Jugoslawien) - Arantxa Sanchez-Vicario 6:1, 6:2; Jennifer Capriati (USA) - Gabriela Sabatini (Argentinien) 6:3, 6:4.

Frankfurt/Main, Halbfinale: Pete Sampras (USA) - Ivan Lendl (CSFR) 6:2, 6:3; Jim Courier (USA) - Andre Agassi (USA) 6:3, 7:5.