: Bakers Bauchlandung in China
■ Die Pekinger Betonriege ignoriert die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte
Bakers Bauchlandung in China Die Pekinger Betonriege ignoriert die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte
Ab und zu sollte ein Job doch auch Spaß machen. Ein amerikanischer Außenminister mag mit gewissem Vergnügen daran denken, daß er als Verhandlungsexperte in die Geschichte eingehen wird — von anderen Annehmlichkeiten ganz abgesehen. Warum aber ließ er sich auch noch nach China schicken? Wo er doch wußte, daß er sich keinesfalls von Fotografen beim Lächeln erwischen lassen dürfte? Dienstanweisung vom Chef.
Dabei muß Baker klar gewesen sein, daß sich seine chinesischen Verhandlungspartner jede Einmischung in ihre „internen Angelegenheiten“ verbitten und die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte als lästiges westliches Ritual sehen. Angesichts ihrer kooperativen Haltung in der Golfkrise können sie sich sicher sein, daß jegliche US- Drohgebärde und das „ultimative Ultimatum“ gegen chinesische Waffenlieferungen in den Nahen Osten oder die nukleare Zusammenarbeit mit Pakistan, dem Iran und Algerien so ernst nicht gemeint sein kann. Zudem weiß die chinesische Führung ganz genau, welches Faible George Bush für Peking hat: Hat er dort doch einige Jahre die US-Vertretung leiten dürfen. Seitdem fühlt er sich zum Chinaexperten berufen.
Selbst wenn Baker nicht gewollt hätte, er mußte dennoch den Ausputzer spielen, denn die US-Administration steckt in einem Dilemma: Zum einen will man die Beziehungen zu Peking weiter hegen und pflegen, nachdem sich China in der Kambodschafrage kooperativ zeigte. Außerdem stehen auch US-amerikanische Wirtschaftsinteressen auf dem Spiel — bei der Verlängerung von Handelsprivilegien. Andererseits durfte Bush keinesfalls selbst einem Mitglied der chinesischen Betonriege die Hand schütteln. Denn zu Hause wird dem Präsidenten schon seit langem ein zu laxer Umgang mit den Verantwortlichen des Massakers am Tiananmen angelastet, die zudem bei ihren Waffen- und Nukleargeschäften mit der Dritten Welt den erhobenen Zeigefinger aus Washington beharrlich ignorieren.
Sich neben dem Titel „Vermittler im Nahen Osten“ auch noch den des „Schützers chinesischer Dissidenten“ anheften zu können — dieses Ziel sollte Baker für seinen Dienstherren erreichen. Denn der wird beim anstehenden Präsidentschaftswahlkampf vor allem als Außenpolitiker ins Rennen gehen. Doch die Machthaber in Peking zeigten kein Interesse, sich als Wahlkampfhelfer zu betätigen. Da nützte es auch nichts mehr, daß Baker seine Abreise noch einmal verschob und sich in hektische diplomatische Aktivitäten stürzte. Es reichte nicht einmal zu einem gemeinsamen Abschlußkommunique. In China hat sich der Außenminister für seinen Chef die Zähne ausgebissen. Jutta Lietsch/Andrea Böhm
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