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Die Waffen schweigen in El Salvador

Der von der „Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN) ausgerufene einseitige Waffenstillstand ist von Regierungschef Cristiani akzeptiert worden/ Druck der extremen Rechten auf die Regierung/ Hoffnung auf einen Friedensvertrag noch vor Jahresende  ■ Von Ralf Leonhard

Managua (taz) — Mit der einseitigen Waffenruhe der Guerilla begann Samstag, null Uhr eine neue Epoche in El Salvador, die in einen dauerhaften Frieden münden soll. Die „Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN) hatte diese wichtige Vorgabe letzten Donnerstag überraschend angekündigt nachdem Präsident Cristiani gedroht hatte, die Friedensverhandlungen in Mexiko abzubrechen. Seit 4. November verhandelt das fünfköpfige Oberkommando der FMLN unter Vermittlung des UN-Moderators Alvaro de Soto mit einer Regierungsdelegation unter Justizminister Oscar Santamaria über die Konkretisierung des Rahmenabkommens, das am 25. September in New York unterzeichnet wurde. Optimisten rechnen damit, daß noch vor Jahresende ein Friedensvertrag unterzeichnet wird.

Die Rebellen hatten ursprünglich versucht, einen beidseitigen Waffenstillstand schon während der Verhandlungen zu erreichen, waren damit jedoch auf schroffe Ablehnung bei den Regierungsvertretern gestoßen. Minister Santamaria klagte seinerseits über anhaltende Operationen der FMLN und sprach von „einer neuen Offensive“. Sie lancierten „eine im November 1989, eine im November 1990 und jetzt wieder“. Die Stadtkommandos der FMLN hatten in den vorangegangenen Tagen eine Reihe von Armeepositionen in San Salvador attackiert und durch Sabotageanschläge auf Kraftwerke und Hochspannungsmasten den permanenten Energienotstand ausgelöst. Bei Attacken in Chalatenango meldete der Untergrundsender Radio Farabundo Marti an einem einzigen Tag 37 Todesopfer bei der Armee. Und unmittelbar nach Beginn der Dialogrunde besetzten FMLN- Einheiten mindestens 24 Dörfer und Kleinstädte, um der Bevölkerung ihre Verhandlungsposition zu erklären. Für die Aufständischen handelt es sich bei den Aktionen um reine Routineoperationen, zumal die Armee gleichzeitig Offensiven gegen die FMLN-kontrollierten Gebiete im Norden und Osten eröffnete und Siedlungen von Repatriierten bedrängte. Mehrere Zivilisten wurden durch Minen und Artilleriegeschoße der Armee schwer verletzt. Mit dem Mord an dem 20jährigen venezolanischen Internationalisten Julio Cesar Guzman Navas, der am 30. Oktober in Zivil im Kriegsgebiet von San Vicente unterwegs war, bewies die Armee, daß sie keinen Unterschied zwischen bewaffneten und unbewaffneten FMLN-Aktivisten macht.

Noch vor wenigen Tagen hatte die FMLN eine einseitige Waffenruhe zurückgewiesen. „Das hieße uns gefesselt in einen Tigerkäfig sperren“, meinte FMLN-Sprecher Roberto Canas. Neben Klagen der Kleinindustrie, die unter den Sabotageakten besonders leidet, dürften schließlich taktische Gründe für das Nachgeben ausschlaggebend gewesen sein, nämlich Cristiani jeden Vorwand für einen Abbruch der Gespräche zu geben. Die Regierung steht nämlich unter heftigem Druck der extremen Rechten, die gegen die Verhandlungen als „Verrat und Betrug am Volk“ wettert. Cristiani hat zwar bisher nicht erklärt, daß auch die Regierungsarmee auf Offensivaktionen verzichten werde, doch immerhin nimmt er erstmals eine einseitige Waffenruhe der FMLN an. Bisherige einseitig erklärte Feuerpausen wurden regelmäßig als „Propaganda“ zurückgewiesen.

In der gegenwärtigen Gesprächsrunde geht es um die Armeereform, die eine Säuberung des Offizierskorps durch eine unabhängige Untersuchungskommission einschließt und um die Ersetzung der brutalen Sicherheitskräfte durch eine zivile Polizei, in die auch Kommandanten und Kämpfer der FMLN aufgenommen werden sollen. Die Verhandlungen über diesen heiklen Punkt dauern bereits länger als vorgesehen. Und auch der nächste Punkt der Tagesordnung, die wirtschaftlichen und sozialen Reformen, wird eine harte Nuß. Da geht es nämlich um die Ursachen des Konfliktes, der in zwölf Jahren über 75.000 Menschenleben gefordert hat. Die Guerilleros sind trotz allem optimistisch und arbeiten über ein noch geheimes Politkomitee in San Salvador bereits am Aufbau einer Partei, die an den Wahlen 1994 teilnehmen soll.

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