: Rosas Vorgänger hieß Horst Wessel
■ Der heutige Rosa-Luxemburg-Platz ist in seiner Geschichte bereits dreimal umbenannt worden
Mitte. Der zukünftige Indendant der Volksbühne, Frank Castorf, hat schon gedroht: »Wenn dieser Platz auch noch umbenannt werden soll, nenne ich mein Theater ‘Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz‚«. Jetzt schon melden sich die Angestellten der Bühne mit diesem Namen am Telefon. Der Senat hat zwar entschieden, den Namen des Platzes vorerst nicht zu ändern, »aber man weiß ja nie.« Es wäre seine vierte Umbenennung, seitdem er 1907 gebaut wurde.
Als »Babelsberger Platz« wurde er im Rahmen einer Kahlschlagsanierung in einem Teil des damaligen Scheunenviertels angelegt. Hier lebten vor allem Zuwanderer und jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa. Der »asoziale Sumpf« der als Ganoven- und Rotlichtviertel berüchtigten Gegend sollte durch einen weiten, freien Platz »trockengelegt« werden.
Den nach dem Krieg in »Bülow- Platz« umbenannte Ort wollte der Architekt Hans Pölzig zu einem soziokulturellen Zentrum mit Wohnungen, Kino, Volkshochschule und Bibliotheken machen. Die Nationalsozialisten unterbrachen jedoch die begonnene Bebauung.
Im ersten der fertiggestellten Gebäude befindet sich noch heute das Kino Babylon. Im April 1929 eröffnete es als Stummfilmkino mit 1.200 Plätzen. Es war ausgestattet mit Orchestergraben und Spielbühne, so daß auch Varietés und Konzerte gegeben werden konnten. Während des Krieges war hinter der Bühne eine illegale Druckerpresse der KPD versteckt.
Die sowjetischen Besatzer machten das Babylon zum einzigen Premierenkino im Ostteil der Stadt. 1954 wurde es von den Sowjets für das deutsche Volk zurückgekauft und eröffnete mit der Premiere des Films Der kleine Muck. Später wurde es als eines der vier Filmkunstkinos der DDR an das Filmarchiv angeschlossen. »Hier waren Filme zu sehen, die es sonst nirgends gab, solche von Tarkowski zum Beispiel. Wir wollen jetzt auch die Traditionen von Theater und Konzerten wieder aufleben lassen«, sagt Norbert Kuhn, ein Mitglied des Vereins, der jetzt das Kino gemietet hat. Der Orchestergraben und die alte Kinoorgel sollen restauriert werden. Für Anfang Dezember ist eine Pantomime-Woche mit Workshop-Charakter geplant. »Das Babylon war auch immer ein Szenetreff, nicht nur für die Leute aus dem Prenzlauer Berg«, erzählt der Barkeeper des Cafés im Kino. In dessen gelb und türkis getünchten Wänden trinken immer noch junge Leute im Szeneoutfit genauso ihr Bier wie alte Männer aus dem Kiez, die mit oder ohne Hund Kaffee und mitgebrachte Brote zu sich nehmen.
Der »Pinguin« gegenüber war eine der wenigen Nachtbars in Ost- Berlin. Den kannte jeder, mit Szene habe der Laden aber nie etwas zu tun gehabt, erinnert sich ein Anwohner. Bonbonfarben und klebrig sei es dort immer gewesen. Seit Ostern ist dort eine Tag-und-Nacht-Billard-Bar eingezogen. Tagsüber wird sie von den KiezbewohnerInnen zum Kaffeetrinken, abends von jungen Leuten zum Spielen und nachts, wie man an der Theke munkelt, von Zuhältern zum Abrechnen frequentiert.
Ein paar Häuser weiter steht das Karl-Liebknecht-Haus, in welchem sich von 1926 bis 1933 die Parteizentrale der KPD befand. Vor diesem Haus fand am 9. August 1931 die Demonstration gegen Arbeitslosigkeit und Hunger statt, in deren Verlauf zwei Polizisten erschossen wurden. Ihrer Ermordung wird heute der ehemalige Chef der DDR-Staatssicherheit Erich Mielke, damals Mitglied des »Parteiselbstschutzes«, beschuldigt.
Die Nationalsozialisten machten aus dem Platz den »Horst-Wessel- Platz«. 1933 wurde das Liebknecht- Haus als »Hauptquartier der Kommune« von der SA beschlagnahmt und in Horst-Wessel-Haus umbenannt. Zwei Jahre residierte hier die NSDAP, bevor das Katasteramt einzog. Die DDR belegte den Platz mit seinem jetzigen Namen. Im rückbenannten Liebknecht-Haus wurde der Parteivorstand der SED, heute der der PDS, untergebracht.
Der Platz blieb auch weiterhin geschichtsträchtig: »Hier hat doch eigentlich alles angefangen im Oktober 89«, erinnert sich eine Kostümbildnerin der Volksbühne. »Am 7. Oktober hatten wir alle Berliner Bühnen eingeladen, um über die Lage zu sprechen. Wir saßen hier im Foyer und diskutierten, und draußen rollten die Panzer.« Es sei ihnen damals klar geworden, daß man nicht mehr Theater machen könne, ohne auf die beunruhigenden Zustände im Land einzugehen, sagt auch der geschäftsführende Dramaturg Otto-Fritz Hayner. »Die Volksbühne war immer ein Theater, das sich bewegt und bewegen kann.« Schon der Verein, der die Bühne vor über 100 Jahren gegründet hatte, habe vor allem ein Theater »für den kleinen Mann gewollt«, mit realistisch-zeitnaher Bühnenkunst und verbilligten Theaterkarten für Proletarier. Hayner wünscht sich weiterhin ein Theater, das gesellschaftliche Veränderungen wie »die Kollision der Kulturen« reflektiere. »Aber beim Theater ist die Aktualität der Theorie immer die Aktualität der Arbeit«, daher solle man sich lieber die nächsten Premieren Menschenfeind und Woyzeck anschauen. Corinna Raupach
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