piwik no script img

ZDF gibt sich Blöße

■ Die Reportage, Die., ZDF, 19.30 Uhr

Der Titel Das Geschäft mit dem Körper — Bodybuilding und Sex in den neuen Bundesländern ist irreführend, denn die neuen Bundesländer reduziert Klaus Wilhelm in seiner Reportage auf Sachsen, vornehmlich Leipzig. An seinen Fragen aber läßt sich erkennen, daß er einen kritischen Film machen wollte. Ob sich die Öffentlichmachung des Körpers nach der Wende geändert habe? Eine Studentin, die sich im durchsichtigen Body für 'Super‘ fotografieren ließ, wird von Wilhelm gerfragt: „Sind Sie vom Fotografen überrumpelt worden?“ Ob sich das Selbstbewußtsein der Ex-DDR-Frau durch die Möglichkeiten der körperlichen Zurschaustellung verändert hat, interessiert den Reporter. Die Antworten ist unspektakulär. Natürlich war nach der Wende alles anders, die Studentin ist nicht überrumpelt worden.

Die weiteren Themen des Films machen ihn nicht weniger überflüssig. Bordelle sind kein spezielles Ost-Thema. Daß ein Gastronom ein Bordell eröffnet, um Geld zu verdienen, soll auch im Westen schon vorgekommen sein. Die Themen, die eine Reportage wert sind, klingen nur am Rande an: gewalttätige Konflikte zwischen Ost- und West-Zuhältern. Sind Bordellbetreiber, die sich in Leipzig gerne als Hausmeister bezeichnen, faktisch Arbeitgeber?

Wilhelm läßt sich mehr von vorgefaßten Meinungen als Erkenntnisinteresse leiten. So glaubt er: „Denise Rössel vermarktet sich und ihren Körper als Fotomodell.“ Ob die Bürger Leipzigs Nacktfotos als Vermarktung beurteilen, fragt er erst später. Überhaupt sucht Wilhelm das Böse dort, wo es hüben wie drüben Alltag ist. Der Fleischbeschau, die Darbietung von Nacktheit erst ermöglicht, erliegt der Reporter selbst. Auch wenn eine Reportage, die sich vornehmlich mit Sex-Bars, Sex- Shows und Bordellen beschäftigt, auch mal einen Nackten zeigen dürfen muß: Wilhelm sucht nicht nur derartige Motive, er fordert eine Sonnenstudiobräunende auf, zu zeigen, was ihr Körper bietet. Das will vielleicht frecher Journalismus sein, aber hier bringt das ZDF ab halb acht mehr Nacktheiten als RTLplus nach 23Uhr.

Am Ende des Films wird es richtig gemein. Nach den Themen Prostitution und Moral zeigt der Film noch einmal Bilder von der „Mrs. Sachsen-Wahl“, mit der er schon begonnen hatte. Die Betonung liegt auf „Mrs.“, denn zugelassen waren nur verheiratete Frauen. Moralvorstellungen hin und her — zwischen Prostitutierten und Wahlkandidatinnen in Badeanzügen liegen Welten, Herr Wilhelm. Das Geschäft mit dem Körper bot inhaltlich wenig und vernachlässigte viel. Zum Beispiel, ob sich auch Männer entblößen. Wo bleibt denn da die öffentlich-rechtliche Ausgewogenheit? Achim Becher

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen