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War es so, war es anders?

Heartbeat — ein Aids-Benefiz im Frankfurter Mousonturm  ■ Von Arnd Wesemann

Frisch, frisch ist die Welt. Und Aids ihre Schlinge. Frisch ist der Erfolg. Faul das Ende. Benefizen wir das Unversöhnliche, das siechende Elend durch eine frische Show. Benefiz-Gala in Frankfurt zugunsten der Versorgung HIV-Infizierter, darum eine honorarfrei aufführende Tänzerschar, die es in sich hat, die vorneweg den Ruf Frankfurts steigert: Hauptstadt des Tanzes zu sein. In Frankfurt entstand Techno, hier ist William Forsythes Ballett zu Hause, hier glüht der Portugiese Rui Horta, hier strahlt Stephen Galloway, hier haben das Kabarett und der Tanz eine denkbar günstige Verbindung gefunden. Hier macht der Kabarettist Michael Quast Piepen — aus dem bunten Abend besprechen wir zwei Highlights.

Quast ist für die Abfolge der Choreographien eine denkwürdige, passende Figur: ein Conférencier, ein Geräuschemacher, der das Gestade spielt, Ebbe und Flut, eine kreischende Möwe, eine Dampferfahrt. Seine Stimmgeräusche machen das Theater so undicht, als sei ein Leck im Bühnenhaus, als würden wir, auf seinen Zuruf, ersaufen müssen. Quast erzählt von einer „Ant Farm“, einem „Ameisen-Bauernhof“, den er sich als Fünfjähriger schon gewünscht hatte, einen Käfig mit 235 Ameisen, die er, wenn die Eltern fort waren, freiließ, sie in der Küche mit einer Pizza fütterte. Eine Tänzerin bezweifelt das. Sie spielt seine Schwester. „War es so, war es nicht anders?“ — klassische Frage des Tanztheaters, längst ist die Ansage „Choreographie“, längst „Ballett“ von Antony Rizzi geworden.

Ein Diaprojektor zeigt Dias. Die Schwester kommentiert die Bilder: „War es so, war es anders?“ Wer tanzt, tanzt im Zweifel falsch: Es war anders, nicht so; geschmollter Mund, geknickte Beine — wenn es anders war, ist jeder Tanzschritt Kolportage; wenn es anders gewesen sein könnte, bricht nicht Wahrheit, sondern Persiflage aus, komischer Tanz, Andeutung von Tanz, der Lachen macht, und inmitten dessen der Conférencier, Pizza essend, eine Armee Ameisen auf Rollschuhen an der Schnur über die Bühne zieht.

Die Musik schwillt an. Drei rote Teppiche, drei Stühle, sechs Tänzer, harter franco-afrikanischer Beat. Tough und direkt. Tanz als ein geometrisch geordnetes Kampfspiel. Was bei Antony Rizzi vom Ballett Frankfurt hintergründige Komik ist, wird bei Rui Horta und seinem S.O.A.P. Dance Theatre Frankfurt direkter Tanz, alles ausfüllender Vordergrund. Wo die Komik des Balletts in bestes Tanztheater umschlägt, ist Hortas „Dance Theatre“ rudimentärer Tanz, martialische Körperlichkeit ohne Andeutungen, reine Beherrschung, nagendes Training, umstandslos schwerer Beat, akrobatischer Tanz — sinneverschlingend. Dieser Kontrast umklammert den Abend. Gewährt dem Tanz breiten Raum, ohne ihn auf jenes verrenkte „Alles ist denkbar“ des bloß Meinenden, Anmutigen, nur Schönen zu lavieren.

Das ist der Nebeneffekt des Benefiz: Bestandsaufnahme der Frankfurter Tanzszene da, wo sie ihre jungen, bedeutenden Choreographen unmittelbar hintereinanderstellt, sich Maßstäbe herzeigen und die Klarheit vom Verwuselten sich absetzt — Endpunkte dastehen: Das Toughe, Direkte der Intelligenz, der Komik, der Körper. Alles dazwischen, alles Angedeutete, Bedeutungsrätselnde, Unentschlossene, So-aber-auch-anders, muß nichts mehr taugen.

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