: DGB: Kein Interesse an der Zukunft
■ Nur elf Anmeldungen für großes „Zukunftsforum“ / „Ausdruck der Erstarrung“
Hier bitte die Karikatur
Die Bremer Gewerkschaften haben vorerst keine Zukunft mehr. Der DGB-Kreisvorsitzende Siegfried Schmidt mußte gestern das für Samstag angekündigte große „Zukunftsforum“ im Bürgerhaus Vegesack wieder absagen. Ganze elf TeilnehmerInnen hatten sich verbindlich angemeldet, obwohl über 4.000 Einladungen über die gewerkschaftlichen Verteiler verschickt worden waren. Das jetzt geplatzte Zukunftsforum sollte die Auftaktveranstaltung
für eine seit längerem angekündigte Grundsatzdebatte über die dringend erforderliche Erneuerung der Bremer Gewerkschaften sein.
„Die globalen Fragen in unserem Leben schreien nach Antworten. Die Bedingungen, die unser Leben beeinflussen, ändern sich überschallartig“, hatte die blau- lila Einladung vollmundig verkündet und den Teilnehmern des Zukunftsforums versprochen: „Wir bieten keine Rezepte an,
sondern den Dialog.“ Die ganze Veranstaltung, zu der zahlreiche Referenten auch aus dem Management-Bereich großer Unternehmen eingeladen worden waren, stand unter dem Motto: „Dafür trage ich die Verantwortung.“
Ulrike Buchner, als Vorsitzende des DGB-Kreis-Angestellten-Ausschusses für Konzept und Vorbereitung des Zukunftsforums verantwortlich, erklärt dessen Scheitern vor allem mit einem Boykott der etablierten Gewerkschaftsfunktionäre. „Unternehmenskultur und moderne Entscheidungsstrukturen sind bei den traditionellen Gewerkschaftern einfach kein Diskussions- Thema“, kagte Buchner gestern gegenüber der taz. Trotz eines einstimmigen Beschlusses des DGB-Kreisvorstandes sei das Zukunftsforum „von mehreren Einzelgewerkschaften wie der BSE oder der HBV abgeblockt“ worden. Ausdrücklich kritisierte Buchner auch den Bremer DGB- Chef Schmidt: „Er hat sich zwar verbal eingesetzt, dann aber nichts für die Realisierung getan.“ Die Einladungen seien zwar „wie in einer Behörde“ verteilt worden, doch kein einziger Betriebsrat sei aus dem Gewerkschaftshaus heraus noch einmal gezielt auf die große Bedeutung des Zukunftsforums angesprochen worden.
Als „Ausdruck der Erstarrung Bremer Gewerkschaften“ wertete der Geschäftsführer der Angestelltenkammer, Eberhard Fehrmann, gestern das Platzen des Zukunftsforums. Er war dort als Referent zum Thema „Auf der Spielwiese — von der Funktionärsmitbestimmung zur Selbstbestimmung“ vorgesehen gewesen. Doch diesen Vortrag wollten die Adressaten offenbar lieber nicht hören. „Es gibt keine Region in der Bundesrepublik, wo es eine so dichte Infrastruktur von arbeitnehmerorientierten Institutionen wie in Bremen gibt“, weiß Fehrmann, „aber auch nirgendwo gibt es eine so große Geschlossenheit gegenüber der Zukunftsdiskussion in den Gewerkschaften.“ Es herrsche ein „gewaltiger kollektiver Verdrängungsprozeß“ vor, „wie es ihn oft in gesellschaftlichen Umbruchsituationen gibt“.
HBV-Chef Hans-Jürgen Kröger, der im DGB-Vorstand zu den Kritikern des Zukunftsforums gehörte, vermißte im Programm vor allem „gewerkschaftliche Inhalte“. Es reiche nicht aus, „teure Referenten zur Unternehmenskultur zu befragen“, die Zukunfts-Diskussion müsse weniger um die Form als um die Inhalte künftiger Gewerkschaftspolitik geführt werden.
Doch für die Initiatorin Ulrike Buchner ist die Absage des 30.000 Mark teuren Forums „ein schwerer Rückschlag.“ Allerdings wäre eine Durchführung der Veranstaltung angesichts des Teilnehmermangels „noch peinlicher“ geworden. DGB-Chef Siegfried Schmidt war gestern nach der Absage des Forums nicht mehr zu sprechen.
Buchner will nun im nächsten Jahr einen neuen Anlauf zur Zukunftsdiskussion nehmen. „Das werden wir dann generalstabsmäßig vorbereiten“, ergänzte Angestelltenkammer-Geschäftsführer Fehrmann. Dirk Asendorpf
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