SHORT STORIES FROM AMERICA

■ Sichern Sie ihre Zukunft: Investieren sie in Textilien

Meine heutige Kolumne gilt der Beantwortung der rührenden und besorgten Anrufe aus Deutschland mit Fragen über meine Zukunft. Die immer aufmerksame deutsche Presse hat anscheinend jede Menge alarmierende Artikel über die amerikanische Rezession gebracht— nun wollen die Leser wissen, wie ich über die Runden komme. Die Antwort heißt: Textilien.

Textilien sind heute, was für Dustin Hoffman während seines Studiums Plastik war. Es sind Investitionen mit ausgezeichneter Perspektive, und sie werden dem Bruttosozialprodukt als hervorragende Wirtschaftsankurbler einen kräftigen Schub versetzen. Vielleicht ist nicht jedem unmittelbar einsichtig, warum die Nachfrage nach US-Textilien steigen wird. Viele glauben vielleicht, die meisten „amerikanischen“ Textilien würden von blinden Waisenkindern in Korea hergestellt, aber gewiß nicht mehr lange. Nicht wenn es nach David Duke geht — Mitglied des Ku-Klux-Klan, Nazi und Gouverneurskandidat für Louisiana. Nachdem er letzte Woche die Wahl verloren hat, ist er zum Fixstern und Führer der nationalen Rechten aufgestiegen. Er wird ganz bestimmt keine kleinen dunklen Hände Bettlaken und (braune) Hemden für seine Gefolgschaft produzieren lassen. Diese Jobs kommen heim ins Land.

Man braucht sich nur einmal vor Augen zu führen, wie viele Amerikaner eine neue Garderobe brauchen werden. 55 Prozent der weißen Stimmen in Louisiana gingen an Duke, 15 Prozent mehr als bei seiner erfolglosen Kandidatur für den Senat im letzten Jahr. Die Finanzierung seiner Wahlkampagne stammte zur Hälfte von außerhalb Louisianas. Das ist keine schlechte Bilanz für einen Neuling, der den amtierenden Gouverneur herausfordert — der hat schließlich die Hälfte des Staates auf seiner Lohnliste. Es ist sogar eine hervorragende Bilanz für einen Neuling, der noch vor wenigen Jahren in Frauenkleidern tanzen ging. Und nun braucht man nur noch den Aufschwung in Rechnung zu stellen, den Dukes Karriere den KKK-Leuten und Nazis im ganzen Land geben wird. Da hast du deinen Markt.

Als Teenager war Duke ein Verfechter der weißen Vorherrschaft, hängte sich eine Nazifahne an die Wand, trug Nazi-Uniformen (das öffnete mir die Augen für die Zukunft des Textilmarktes) und wurde an der Louisiana State University zum Gefolgsmann des Naziführers George Lincoln Rockwell. Nach dem College wechselte er zum Ku-Klux-Klan über und wurde 1975 Großmagier dieser Organisation. 1980 gründete er den Nationalverband für die Förderung der Weißen. 1985 vertrat er in Interviews die Meinung, der Massenmord an den Juden habe gar nicht stattgefunden, Amerika brauche für seine Schwarzen ein Programm der Rückführung nach Afrika, und die Juden hätten die Krankheit der Rassenmischung erfunden. 1989, mit 39 Jahren, wurde er ins Parlament von Louisiana gewählt — in seinem Büro verkaufte er Nazi-Literatur. Ein Jahr später kandidierte er für den Senat, wieder ein Jahr später als Gouverneur. Während dieses letzten Wahlkampfes trat einer seiner Gefolgsleute an Sam Jones heran, den Bürgermeister von Franklin in Louisiana, und fragte: „Was halten Sie von einem Verfassungszusatz, daß die Juden ausgerottet werden sollen?“ Eine solch steile Karriere wird nicht nur Dukes Gefolgschaft anschwellen lassen, sondern auch andere Textil-Enthusiasten (mitsamt ihren Gefolgsleuten) zu einer politischen Laufbahn verleiten. Es ist ein expandierender Markt.

Es hat im Land einiges Gerede gegeben, Duke sei schlecht für Amerika. Die Republikaner haben sich in allerletzter Minute auf Distanz begeben. Bush schloß sich dem Wahlaufruf gegen Duke an — obwohl die Kommentatoren der meisten größeren Zeitungen darauf hingewiesen hatten, daß Bush vielleicht selbst Duke den Weg geebnet hatte, weil er während seiner Präsidentschaft Rassenpolitik betrieben hatte. Diese Kommentatoren zitierten zum Beispiel Bushs berühmte Wahlkampfanzeige von 1988, auf der windelweiche Liberale böse schwarze Kriminelle aus dem Gefängnis befreiten und auf unsere unschuldige Nation losließen. Die Kommentatoren haben recht: Bushs Aufruf gegen Duke war Heuchelei. Als Präsident, der sich um sein Volk sorgt (jedenfalls um einen Teil seines Volkes) wünscht sich Bush einen Sieg Dukes. Bush sieht — genau wie ich — in Dukes textilen Interessen eine Chance zum ökonomischen Wiederaufschwung für die Amerikaner (jedenfalls für einige Amerikaner). Duke wird nicht nur einen Markt für Bettlaken und Hemden schaffen, sondern diese Jobs auch heim ins Land bringen. Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen über meine Zukunft. Wenn ich lange genug lebe und Steuern zahle, werden meine Textilinvestitionen auch genug abwerfen, damit ich sie bezahlen kann.

Nun verstehe ich, warum es Präsident Bush nicht für nötig hielt, allzuviel für die Wirtschaft zu tun. Er weiß, daß Dukes Bewegung ihm das ganze Problem der Arbeitslosigkeit und empörten Arbeiter vom Hals schaffen wird. Es macht nichts, daß sowohl die Umsätze als auch die Durchschnittsverdienste im Oktober erneut „abgesackt“ sind, wie die 'New York Times‘ schrieb, die gemeinhin nicht als Blatt der Schwarzmaler gilt. Es macht nichts, daß die Zahl der Leute, die Arbeitslosenhilfe beantragten, im letzten Monat auf den höchsten Stand seit Mai gestiegen ist. Es macht auch nichts, wenn im letzten Jahr 2,1 Millionen Amerikaner unter die Armutsgrenze gerutscht sind. Und wen stört es, wenn amerikanische Arbeiter Aufrufe lesen dürfen wie den des Herausgebers der 'Minneapolis Star Tribune‘: „Am liebsten senken wir unseren Personalstand natürlich durch langsame Zermürbung, aber [...] wenn Ihnen einfällt, wie sich Ihre Arbeit so verändern ließe, daß Ihr Arbeitsplatz überflüssig wird, dann setzen Sie sich bitte mit Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung in Verbindung.“ Gebt Duke nur ein bißchen Zeit, dann wird er das alles regeln.

In der aufgeregten Zeit seit Ende des Kalten Krieges haben einige politische Analytiker vorgeschlagen, Bush solle den Verteidigungsetat zusammenstreichen und die freigesetzten Mittel für soziale Programme verwenden, für die Ausbildung oder die Instandsetzung der Infrastruktur. Als Bush Ende September seine Streichungen bei den Kurzstrecken-Atomwaffen ankündigte, glaubten viele, die Ausgaben sollten nun ins Inland fließen. Statt dessen wurde das Geld für die Reduzierung des nationalen Defizits verwendet. Hätte Bush vielleicht ein paar mehr Atomwaffen in Pension geschickt — sagen wir, den B2-„Stealth“-Bomber, von dem jedes Exemplar 850 Millionen Dollar kostet, soviel wie das Jahresbudget des nationalen Vorschulprogramms —, hätte er vielleicht die Mittel gehabt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Jetzt wissen wir, warum er gerade vergangene Woche verkündete, das sei gar nicht nötig. Er hat den Duke-Trumpf im Ärmel. (Vielleicht rechtfertigt die Höhe des B2-Preisschilds auch die bescheidene Erwähnung, daß die ersten B2s nach Untersuchungen des Kongresses 141.000 Mängel aufwiesen.)

Wie auch immer: Der ökonomische Wiederaufschwung ist nicht mehr aufzuhalten. Ich werde meinen nächsten taz-Scheck in Textilfirmen investieren. Das empfehle ich auch Ihnen. Ich höre, Bonn habe dieses Jahr 83 Milliarden nach Ostdeutschland fließen lassen, 1992 werde es ähnlich aussehen. Wie ich höre, steigen die Steuern, steigen die Preise, die Regierungssubventionen für Berlin sind nur noch eine liebe alte Erinnerung, und in einigen Gebieten des Ostens erreicht die Arbeitslosigkeit 45 Prozent. Aber ich höre auch, daß es in so unterschiedlichen Städten wie Leipzig, Saarlouis, Halle, Herford und Hoyerswerda über 200 Skinhead-Angriffe gegeben hat. Ich lese, daß das traditionell sozialdemokratische Bremen zum ersten Mal die rechtsextreme DVU ins Stadtparlament gewählt hat. Wiens rechte Freiheitspartei war bei den Wahlen in diesem Monat der größte Gewinner und wurde zur zweitstärksten Partei der Stadt. Wie ich höre, hat im September eine Umfrage ergeben, daß 23 Prozent der Ost- und 38 Prozent der Westdeutschen „gewisse Sympathien für radikale rechte Tendenzen haben“. Und ich durfte auch lesen, was Eckard Werthebach diesen Monat in der 'Welt am Sonntag' schrieb: Deutschlands 40.000 Rechtsextreme hätten nur deshalb noch nicht mehr Gewalt auslösen können, weil ihnen ein Führer mit Charisma und „rhetorischen Fähigkeiten“ fehle. Vielleicht sollten sie nach einem suchen, der sich um Aufnahme in eine Kunstschule bewirbt?

Ich sage: Wenn Sie Ihre ökonomischen Schwierigkeiten anpacken wollen, dann spielen Sie Ihre Stärken aus: Hemden und andere Uniformteile sind der Markt von morgen. Investieren Sie in Textilien. Sichern Sie Ihre Zukunft.

Einige Leser meinen vielleicht, mein Optimismus hinsichtlich des Textilmarkts sei übertrieben. Schließlich könnte man fragen: Wie viele Faschisten gibt es denn wirklich da draußen? Genau. Wie viele.

Abschließende Bemerkung: Einer von Dukes Wahlkampfschlagern war das Gespenst der schwarzen Mutter, die Geld von der Fürsorge bekommt, bei schwer arbeitenden Weißen absahnt und die Wirtschaft ruiniert. In Louisiana zahlt die Fürsorge pro Kind zusätzliche elf Dollar die Woche.

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning

SICHERNSIEIHREZUKUNFT:INVESTIERENSIEINTEXTILIEN