: Yeboha und Andersen gehen am Sonntag wählen
In Frankfurt wählen etwa 100.000 Ausländer erstmals ein kommunales Parlament: Rund 20 nationale und multikulturelle Listen stellen sich der Wahl der kommunalen Ausländervertretung (KAV)/ Ein Antragsrecht im Stadtparlament haben sie nicht ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) – Wie ein „kleines Parlament“ soll sie arbeiten, die Kommunale Ausländervertretung (KAV) der Main-Metropole Frankfurt. „Alle Dinge, die in der Stadt entschieden werden, können von der KAV aufgegriffen, diskutiert und beeinflußt werden“, heißt es im Wahlaufruf des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten. Von Anthony Yeboha von der Frankfurter Eintracht bis zu „Spitzenkoch“ Pablo von der Kantine ML 147 rühren die promineten FrankfurterInnen mit ausländischem Paß — zusammen mit Dany Cohn-Bendits Multi Kultis — seit Wochen die Werbetrommel für die Wahl zur KAV am kommenden Sonntag.
„Frankfurt waxaya kusocotaa jidka Diimuquraadiga“ meint Zara, eine Frankfurterin aus Somalia. Und das heißt in etwa, daß diese KAV „ein Schritt in Richtung mehr Demokratie in Frankfurt“ sei — nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die KAV wird im Stadtparlament ( Römer) kein Antragsrecht haben. Allerdings, so Irene Katheeb vom Amt für Multikultur, seien Magistrat und Stadtverordnetenversammlung verpflichtet, die KAV „zu allen Angelegenheiten, die Ausländerinnen und Ausländer betreffen“, anzuhören. Katheeb: „Das ist das Maximum dessen, was einer KAV im Rahmen der Landesverfassung zugestanden werden kann.“
Weiter soll die KAV der Stadtverordnetenversammlung und den Ortsbeiräten Vorschläge in wichtigen Angelegenheiten unterbreiten dürfen, die dann dort aufgegriffen werden sollen. Im Gegenzug seien die kommunalen Gremien der deutschen Bevölkerung verpflichtet, die KAV über alle Entscheidungen zu informieren, die Ausländerinnen und Ausländer betreffen. Das alles, so Koch Pablo, sei zwar noch nicht das lang ersehnte kommunale Wahlrecht für die in Frankfurt lebenden Migranten. Doch „solange diese KAV unsere einzige Mitbestimmungschance ist, will ich diese KAV — und weiterhin natürlich das kommunale Wahlrecht“.
Aus 51 Mitgliedern soll die Frankfurter KAV bestehen. Wahlberechtigt sind 126.000 AusländerInnen ab 18 Jahre, die seit mindestens drei Monaten in Frankfurt ihren ersten Wohnsitz haben. Doch da in den letzten Wochen Tausende von Wahlbriefen „return to sender“ ( Katheeb) kamen, müsse von einer Wahlberechtigtenzahl von „etwa 100.000 Menschen“ ausgegangen werden. Daß mehr als 20.000 nach dem Melderegister angeschriebene AusländerInnen offenbar nicht mehr in Frankfurt wohnen, sei für die Organisatoren aus dem Multi-Kulti-Amt „eine Überraschung“ gewesen, sagt Irene Katheeb. Allerdings würden die Wahllisten für die deutschen Bürger nach jeder Wahl bereinigt, so daß vor der nächsten Wahl eine realtiv exakte Zahl von Wahlberechtigten eruiert werden könne. Die Wahl zur KAV sei dagegen eine „Pilotwahl ohne Vergleichszahlen“.
Insgesamt 23 Listen bewerben sich am Sonntag um die Stimmen der ausländischen Bürger der Stadt — darunter allein sieben türkische und kurdische Listen. Das Spektrum reicht von der „Union der türkisch- islamischen Vereine“ bis zur „Liste für Demokraten aus der Türkei“. Und falls die Wählerinnen und Wähler sowohl die Kandidatinnen und Kandiaten der „Kroatischen Liste Zvohimir“ als auch der „Serbischen Liste“ in die KAV wählen sollten, dürfte der Konflikt in Jugoslawien en miniature dann auch im Ausländer- Parlament eine Rolle spielen. Immerhin kommen die meisten Ausländer in Frankfurt aus Jugoslawien. Auch Marokkaner, Griechen und Italiener kandidieren auf nationalen Listen für die KAV. Andere Ausländer stellen sich dagegen auf multikulturellen Listen zur Wahl, etwa auf der „Internationalen Liste Frankfurt am Main“, die als Vertrauensperson den seit Jahren in der Migrantenarbeit engagierten Pfarrer Detlef Lüderwaldt benannt hat. Oder die „Multikulturelle Liste Frankfurt“, auf der Jose del Pozo Aguilera von SOS-Rassimus kandidiert.
Exakt eine halbe Million DM betrug der Etat des Multi-Kulti-Amtes zur Vorbereitung der Wahl. Die Hälfte „schluckte das Wahlamt, das die Wahlbriefe und Informationsschreiben an alle Wahlberechtigten verschickte. Die andere Hälfte des Etats ging für Kino- und Plakatwerbung und für Flugblätter in allen Sprachen drauf — eine „optimale Vorbereitung“ (Katheeb). Die MitarbeiterInnen des Multi-Kulti-Amtes jedenfalls sind erst einmal „geschafft“. Alle hoffen dort auf eine eindrucksvolle Wahlbeteiligung, denn eine hohe Beteiligung stärke automatisch das Gewicht der KAV — und umgekehrt. Daß die Frankfurter Eintracht mit Anthony Yeboah aus Ghana (9 Tore) und Jörn Andersen aus Norwegen (4 Tore) Herbstmeister der 1. Fußball-Bundesliga wurde, ist für Irene Katheeb ein gutes Omen: „Mit dieser KAV in Frankfurt, die mehr Rechte hat, als vergleichbare Vertretungen in anderen Kommunen, können alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nur gewinnen.“
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