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Stoltenberg vertröstet die SPD

Im Verteidigungsausschuß will die SPD Auskunft über alle NVA-Bestände geben/ Verteidigungsminister Stoltenberg berichtet erst im Januar/ Panzeraffäre nach wie vor unklar  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Kein Untersuchungsausschuß, aber viele offene Fragen. Die SPD interessiert sich zusehends dafür, wie und unter wessen Kontrolle die Bestände der ehemaligen Nationalen Volksarmee abgewickelt werden. Die gestrige Sitzung des Verteidigungsausschusses, bei der Gerhard Stoltenberg erneut mehrere Stunden befragt wurde, klärte die „Panzeraffäre“ nicht, die Ende Oktober aufgeflogenen Waffenlieferungen an Israel.

Stoltenberg gab sich überrascht: Die SPD habe im Verteidigungsausschuß einfach die Tagesordnung geändert, ohne ihm rechtzeitig Bescheid zu sagen. Der Bericht betreffend Israel sei von Verteidigungsministerium, Kanzleramt und BND rechtzeitig vorgelegt worden. Wenn die SPD jetzt zum gesamten NVA- Problem Antwort haben wolle, müsse sie bis Januar warten. Erst auf Drängen erklärte der Minister sich bereit zu prüfen, welche Auskünfte kurzfristig möglich sind, ohne eventuelle gebotene Vertraulichkeiten zu verletzen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Walter Kolbow, darf einen Blick in die Listen der Bonner Hardthöhe werfen.

Falls Stoltenberg darauf gehofft hatte, mit dem bereits zwei Tage vor der Sitzung des Ausschusses veröffentlichten Bericht die ganze Angelegenheit abschließen zu können, ist er enttäuscht worden. Weder der Bericht noch der Rücktritt des verantwortlichen Ministers im Kanzleramt, Lutz Stavenhagen, stellte den Ausschuß zufrieden. Zwar erklärte die SPD sich mit den Antworten zu den Lieferungen an Israel „im großen und ganzen“ zufrieden. Die „wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel auf Ausleihbasis“ (Stoltenberg) war schließlich auch unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern Usus. Kaum noch diskret warnte denn auch Stoltenberg, daß ein Untersuchungsausschuß auch die Praxis der Zusammenarbeit früherer Regierungen zu untersuchen hätte.

Moniert wird von den Sozialdemokraten, daß sich der Bericht um die Frage der politischen Verantwortung drückt. Insgesamt 14 Waffengeschäfte hinter dem Rücken der politischen Instanzen und gegen Weisungen und Beschlüsse von Bundessicherheitsrat und Staatssekretären können nicht der Abteilungsleiterebene allein angelastet werden. Die sanfte Empfehlung der SPD an Stoltenberg, wie Stavenhagen seinen Hut zu nehmen, ließ den Verteidigungsminister indes kalt.

Längstens bis Januar will die SPD dem Minister Zeit lassen zu klären, ob, wie und an wen Waffen, Gerät und Munition aus den NVA-Beständen in alle Welt gegangen sind. Auf siebzig Länder hat sich die Liste der Interessierten ausgeweitet. Noch vor einem Monat laut Auskunft der Hardthöhe nur 27, und das ist nur eine der Ungereimtheiten.

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