SPD fährt auf der Busspur in den Tunnel

■ SPD akzeptiert Tiergarten-Tunnel, stellt aber Bedingungen/ CDU soll als Gegenleistung 200 Kilometer Busspuren und mehr Tempo 30 zugestehen

Berlin. Die SPD will einen Autotunnel unter dem Tiergarten »gegebenenfalls« akzeptieren, knüpft an diese Zustimmung jedoch bestimmte Bedingungen. Nach mehr als dreistündiger heftiger Debatte stellte sich der Landesausschuß gestern abend hinter einen entsprechenden Beschluß der SPD-Fraktion vom letzten Dienstag. Bevor der Senat über das Straßenbauwerk entscheidet, soll SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt mit der CDU ein Verkehrskonzept für die Innenstadt aushandeln, das eine deutliche Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt zum Ziel hat. Der Landesausschuß bekräftigte den Beschluß der SPD- Fraktion, wonach die CDU als »Gegenleistung« zugestehen sollte, daß das Busspurnetz auf 200 bis 250 Kilometer Länge erweitert wird und Tempo 30 in 65 Prozent der Ostberliner Straßen eingeführt wird. Vor einer endgültigen Senatsentscheidung will der Landesausschuß noch einmal gehört werden.

Diese Forderungen seien die »Bedingungen« dafür, daß die SPD den Tunnel akzeptieren könne, hoben Teilnehmer der Sitzung hervor. Die SPD akzeptiere den Neubau nur dann, wenn die Entlastungsstraße aufgehoben werde und der Tunnel gegenüber den bisherigen Senatsplanungen verkürzt werde. Der südliche Tunneleingang dürfe nicht am Landwehrkanal liegen, sondern an der weiter nördlich gelegenen Tiergartenstraße. Es müsse überdies ausgeschlossen sein, daß die Tunnelstraße als Autobahn (»Westtangente«) zum Schöneberger Kreuz verlängert werde.

Während der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen bisher angekündigt hatte, in der heutigen Senatssitzung über den Tunnel und das Verkehrskonzept für das künftige Regierungsviertel im Spreebogen zu entscheiden, signalisierte er gestern Kompromißbereitschaft. »Nötig ist eine brauchbare Lösung, die von der ganzen Koalition getragen wird«, sagte Senatssprecher Dieter Flämig. Über das Verkehrskonzept sollte in der heutigen Senatssitzung zwar wie geplant entschieden werden, hieß es in Diepgens Umgebung. Die Tunnel- Frage könne man jedoch den Verhandlungen mit Bonn überlassen, da einige Fragen, wie die Finanzierung des unterirdischen Bauwerks, ohnehin noch ungeklärt seien.

Der Landesausschuß, dem die 23 Kreisvorsitzenden, der Landesvorstand und als beratende Mitglieder die SPD-Senatoren angehören, war eigens zur Klärung des Tunnel- Streits einberufen worden. Neben dem Sprecherrat der Parteilinken hatten sich die SPD-Kreisverbände der Innenstadtbezirke Tiergarten, Schöneberg, Kreuzberg und Charlottenburg gegen die Tunnelpläne gewandt. Das »eigentliche Problem« sei die Gefahr, daß die Straße als Westtangente fortgeführt werden könnte, sagte der Kreuzberger SPD- Kreisvorsitzende Peter Strieder im Vorfeld der Sitzung zur taz. Es zeuge vom »absoluten Schwachsinn dieses Senats«, über eine Verkehrsplanung für das Regierungsviertel zu entscheiden, obwohl noch keine Bauplanung vorliege. Noch drastischer äußerte sich die Fraktion Bündnis 90/ Grüne: Der Senat, so ihre Kritik, plane wie »eine Horde primitivster Banausen«. hmt