: „Das ist mir peinlich“
■ ARD-Sport-Gala, Sonntag, 20.15 Uhr
Ich hoffe, du weißt es zu schätzen, daß ich hier diesen Scheiß mit dir ankucke“, sagte meine Freundin Nies und gähnte demonstrativ. Dabei interessiert sie sich doch für Leibesübungen, und bei der ARD-Sport Gala '91 war die „crème de la crème“ des germanischen Spitzensports angekündigt.
Das behaupteten zumindest die über beide Gebisse strahlenden Jörg Wontorra und Werner Zimmer, die sich gar nicht wieder einkriegen konnten vor Begeisterung darüber, sich als gemeine Sportheinzl auch einmal zur „prime time“ im Abendentertainment bewähren zu dürfen. Das feierten sie dann auch 120 unerbittliche Minuten, und wer nicht rechtzeitig nach Florida flüchtete wie Stefanie Graf, der wurde unerbittlich Opfer ihrer wahrhaft Rauschenbachschen Metaphorik.
„Die Grace Kelly der Leichtathletik“ (Krabbe), das „Golden Girl“ (Henkel) und diverse „andere reizende Vertreterinnen des deutschen Sports“ bekamen Zahlen über die Leiber eingeblendet, doch es waren angeblich nicht deren Maße, sondern Telefonnummern. Und Wontorra war ganz weg, weil er die Fechterin Anja Fichtel in einem „Magazin“ oben ohne entdeckt hatte. „Sehr hübsch, oder?“ fragte er das Publikum, das zwar Wontorras Magazine offensichtlich nicht las, doch dennoch zustimmte. „Das ist mir peinlich“, fiepste die Fechterin und wurde daraufhin für den Satz des Abends ausgezeichnet.
Sodann verkündete Innenminister Seiters: „Ich mache alles mit“, doch richtig interessant wurde es erst wieder, als Karl-Heinz Becker erzählen mußte, was ihm sein Sohn Boris am Mittag am Telefon erzählt hatte, daß er nämlich leider die Grippe bekommen habe. Genaueres wußte der Vater nicht, er werde aber „morgen wieder telefonieren“. Jörg und Werner wünschten Boris wie auch Josef Neckermann „gute Besserung“, und anschließend duzte Wontorra den Schwimmer Groß, „wie wir das auch im Privatleben tun“.
Daß der Kreis der Fußballnationalmannschaft „heute kleiner“ war, lag daran, daß Manfred Binz alleine kam. Weil bei einer Fernsehwahl nur Fernsehsportarten eine Chance hatten, gewannen neben Steffi Graf und Boris Becker Kaiserslauterns Kicker, die sich sehr freuten, bis sie zur Strafe alle „Torjägerin“ Heide Mohr küssen mußten.
Stürmer Demir Hotic war schon davor etwas betroffen gewesen, was zum einen am Tod von Maurice Banach, zum anderen an der weltpolitischen Lage im allgemeinen lag. Über Geld wollte er nicht reden, was auch gar nicht verlangt war.
Als am Ende auch noch eine zehnminütige Verlängerung drohte, führte ich Nies schleunigst zum Essen aus. Sie hatte es sich verdient. Peter Unfried
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