: Statt Zuckerguß den ganzen Kuchen
■ Nach dem 2. Innoventa-Symposion: Dr. Penny Sparke über die Macht des japanischen Design-Begriffs
In Europa steckt die Design-Entwicklung immer noch in den Kinderschuhen. Zwar wird in Italien an Produktdesign gearbeitet, sind Architektur und Mode in ihrer Präsentation am weitesten fortgeschritten, doch im Vergleich zur umfassenden Herangehensweise japanischer Designer ist Europa noch weit zurück. In der vergangenen Woche fand nun in Bremen ein Syposium über „Design-Strategien japanischer Unternehmen“ statt — im Rahmen der „Innoventa“. Die taz sprach bei der Gelegenheit mit Dr. Penny Sparke, Studienleiterin für Design-Geschichte am Londoner Royal College of Art.
taz: Wie halten Sie von der hiesigen Innoventa?
Dr. Penny Sparke: Die Innoventa versucht hier in Bremen möglichst viele Industrie-Vertreter aus dem Design-Bereich an einen Tisch zu bringen. Daraus könnten sich wichtige Impulse für die Region, aber auch für internationale Zusammenarbeiten ergeben.
Was ist denn aus ihrer Sicht Design?
Hierzulande ist Design ein Schubladenbegriff. In der englischen Sprache ist er klarer definiert und bedeutet ein kreatives Handeln, das die Massenherstellung von Produkten beeinflußt und formt. In der deutschen Sprache ist das schon schwieriger, weil dort der
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Dr. Penny Sparke, DesignologinFoto: JO
Begriff „Design“ sofort auch mit dem Wort „Gestaltung“ kollidiert. Das klingt wesentlich eingeengter. Im Japanischen wiederum ist „Design“ viel weitgefaßter und beinhaltet auch den Gebrauchswert und den Umgang mit einem Produkt. Der Denkprozeß bei der Entwicklung ist da genauso gemeint wie die Verkaufsstrategie, sowie die Ästhetik, Funktion und die Bedeutung eines Produktes. Ein Auto wird in Japan nicht einfach konzipiert, um seinen Benutzer von A nach B zu bringen. Da steckt zum Beispiel auch eine Menge Identifikation drin. Das sehen Deutsche noch nicht so.
Nehmen wir zum Beispiel den neuen Mazda 121, ein recht ungewöhnliches kleines Auto mit auffälligen Rundungen. Was steckt dahinter?
Viel philosophisches Denken. Es geht nicht nur darum, neue Formen für einen Wagens zu entwickeln. Die Japaner überdenken von Grund auf die Bedeutung eines Autos für das Leben eines Benutzers, die kulturelle Rolle. Es soll Spaß machen, billig sein und verläßlich. Aber es soll auch nostalgische Gefühle wachrufen, denn das kommt in Japan zur Zeit gut an. Es geht dann weiter über die Produktion bis zur visuellen Erscheinung im Straßenverkehr und der Rezeption potentieller Käufer. Zum Schluß kommt das Marketing. Das ist Design.
Also ist dieses Beispiel ein typisches japanisches Auto?
Ja, im Sinne, daß die von mir gerade angesprochenen Prozesse alle durchlaufen wurden und nicht einfach nur Modeerscheinungen verarbeitet wurden. Hier ein paar Kurven zugefügt und da einige Chromstreifen mehr, darum geht es nicht allein, das ist mehr die europäische Herangehensweise. Wir reden über ein völlig neues Konzept. Dabei geht es nicht einmal darum, daß so ein Auto auch wirklich gebraucht wird, sondern es wird von den Kunden gewollt. Die Verkaufszahlen sprechen da für sich.
So ein Auto wird aber nicht nur für den japanischen Markt konzipiert, sondern auch für den Weltmarkt. Findet sich das in der Design-Strategie wieder?
Da werden zunächt die grundlegenden menschlichen Charakteristiken erforscht: wie alt Sie sind, welchen Geschlechtes, oder welchen sozialen Status Sie haben. Es gibt allgemeine Wünsche. Der Mazda ist da ein Auto, das überall die Marktlücke der jungen, leitenden Individuen ausfüllt. Und diese Verkaufsnische ist weltweit sehr groß.
Wird die japanische Design-Strategie übermächtig?
Die Gefahr besteht auf bestimmte Märkten. Das euro-amerikanische Denken ist im Augenblick noch zurück. Dieses Symposium hat gezeigt, daß wir die Japaner nicht kopieren sollten. Aber Design muß besser in den gesamten Produktions-und Konsumprozeß eingebunden werden.
Wie?
Indem wir es an einem früheren Punkt berücksichtigen, im Moment ist es noch Zuckerguß auf dem Kuchen. Wir hätten die besten Design-Köpfe hier, aber das tradtionelle Denken, wie man Sachen herstellt und verkauft, sitzt sehr tief. Japaner haben die Fähigkeit, ihre traditionellen Vorstellungen mit innovativen Ideen zu kombinieren. Wir halten das immer schön auseinander. So kommt es auch, daß japanische Firmen hier in Deutschland Design-Center errichten, um ihre Herangehensweise auf dem hiesigen Markt mit europäischen Mitarbeitern durchzusetzen.
Wie könnten europäische Firmen dieser Politik begegnen?
Einfach gesagt geht es darum: Will Europa seine Autoindustrie erfolgreich weiterführen oder nicht? Im Moment ist sie im Begriff, weggefegt zu werden. Dieselbe Frage stellt sich der Kamera-Industrie oder der Audio-Industrie. Die Regeln des Wettbewerbs geben die erfolgreichen Japaner vor. Billige Produkte mit hoher Qualität, die auf die Konsumenten zugeschnitten sind, tun niemandem weh. Interview: Jürgen Francke
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