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Ein Riß durch das pazifische Becken

Mit einem Handelsblock wollen sich ostasiatische Regierungen gegen andere Freihandelszonen wehren  ■ Aus Tokio Georg Blume

Für den Fall, daß die Gatt-Verhandlungen über ein internationales Zoll- und Tarifabkommen vor Weihnachten doch noch scheitern, wollen die ostasiatischen Handelsstaaten nicht in Tatenlosigkeit verharren. „Was wir wollen“, zeichnete Thailands Handelsminister Amaret Sila-on Asiens große Zukunftspläne, „ist ein Markt mit 350 Millionen, vielleicht auch 400 Millionen Menschen. Der Start zu diesem Ziel mag langwierig sein, aber wenn die Mechanismen des gemeinsamen Marktes erst einmal funktionieren, werden alle weiterdrängen.“

Amaret Sila-on sprach mit seiner Vision eines neuen asiatischen Wirtschaftssystems nicht für sich allein. Er faßte damit lediglich die Beschlüsse der letzten Konferenz der sechs ASEAN-Staaten Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Brunei zusammen: Der ferne Osten hatte damit sowohl auf die Möglichkeit eines Scheiterns der Gatt-Runde als auch auf die Bestrebungen zur Errichtung von Freihandelszonen innerhalb der EG und Nordamerikas reagiert.

„Ostasiatischer Wirtschaftsausschuß“ — „East Asian Economic Caucas“ (EAEC) nannte sich der auf dem ASEAN-Treffen in Kuala Lumpur ins Leben gerufene Embryo einer neuen asiatischen Handelsstruktur. Innerhalb von 15 Jahren wollen die Mitgliedsstaaten des EAEC untereinander alle Zoll- und Handelsschranken bis auf ein Minimum von höchstens fünf Prozent abbauen. Während vorgesehen ist, daß andere asiatische Länder, insbesondere Japan, Südkorea, Taiwan und langfristig auch China dem ostasitischen Wirtschaftsausschuß beitreten können und sollen, bleiben andere Pazifiknationen von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen — allen voran die USA und wahrscheinlich auch Australien. In Kuala Lumpur definierten die ASEAN-Staaten den neuen Wirtschaftsverbund als eine „lockere Konsultationsgruppe asiatischer Länder ohne institutionellen Rahmen“. Gleichzeitig aber betrachten sie den EAEC als Teil eines „integrierten Pakets zur Errichtung eines wahrhaftig freien asiatischen Marktes“. — Hinter diesen bescheiden klingenden Formulierungen verbergen sich weltwirtschaftliche Weichenstellungen. Nicht umsonst löste das scheinbar harmlose Vorhaben eines gemeinsamen „Wirtschaftsausschusses“ in Südostasien in Washington Alarm aus. US-Außenminister James Baker, der sich Mitte November auf einer Asien-Reise befand, geißelte den EAEC ohne Zögern als eine „politische Körperschaft, die eine Trennlinie durch den Pazifik zieht“.

Als Ort seiner Kritik wählte Baker die zweite Jahrestagung des „Forums für wirtschaftliche Kooperation in Asien und Pazifik“ (APEC) in Seoul, einem erst 1989 gemeinsam mit den USA geschaffenen Gremium für internationale Handelsgespräche zwischen den Regierungen am Pazifik. An der APEC nehmen schon heute neben den ASEAN-Staaten Australien, Neuseeland, Japan und alle drei Chinas, also die Volksrepublik, Taiwan und Hongkong, teil. In Seoul verdeutlichte James Baker deshalb auch seine Befürchtung, der neue Wirtschaftsausschuß der ASEAN könne die APEC-Gespräche unterhöhlen und überflüssig machen. Insbesondere Südkorea und Japan wurden von den USA aufgefordert, der EAEC nicht beizutreten.

Druck auf Japan

Die harsche Kritik aus Washington verfehlte ihre Wirkung nicht. Als der thailändische Regierungschef Anand Panyarachun Anfang Dezember Tokio besuchte, mußte er notgedrungen der unter US-Druck geratenen japanischen Regierung nachgeben und die Idee einer freien Handelszone auf die lange Bank schieben. Anand und Japans Premierminister Kiichi Miyazawa kamen schließlich überein, die EAEC-Diskussionen als „politisch überbewertet“ zu qualifizieren.

Zwar verkündete Anand, daß der geplante ASEAN-Gipfel im Januar der Einrichtung des umstrittenen Wirtschaftsausschusses in jedem Fall zustimmen werde, doch liege es nun an Malaysia, die ursprüngliche Idee am Leben zu erhalten. Damit war jenes Land gemeint, dessen wortgewaltiger Regierungschef Mahathir Mohammed die asiatische Handelsdebatte überhaupt erst in Gang gebracht hatte.

Vor einem Jahr warnte der langjährige malaysische Premier in einer Rede vor seinem chinesichen Gast Li Peng vor möglichen Handelsblöcken, die durch den EG-Binnenmarkt und die Entstehung der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) den asiatischen Handel mit Europa und Amerika erschweren könnten. Mahathir verlangte ein Umdenken, bei dem auch ein „asiatischer Handelsblock“ nicht mehr ausgeschlossen werden könne.

Was den meisten damals als ein weiterer Wortausbruch des nie ganz ernst genommenen Dritte-Welt-Predigers Mahathir erschien, wurde von der malaysischen Regierung innerhalb weniger Monate in einen politischen Vorschlag gegossen, der einigen ASEAN-Staaten auf Anhieb plausibel erschien. Zwar brachte Indonesien, das stets auf die Führungsrolle in Südostasien bedacht ist, organisatorische Bedenken ein — weshalb statt eines festen Verbundes nur eine „lockere Konsultationsgruppe“ entstand.

Doch die Grundidee Mahathirs hielt allen Einwänden stand: Diesmal sollten die USA und der Westen von den asiatischen Wirtschaftsgesprächen ferngehalten werden. Damit stellten die ASEAN-Staaten vor allem Japan auf die Standprobe.

„Japan ist beides“, beschrieb der ehemalige japanische Außenminister Saburo Okita das Dilemma, in dem sich die Tokioter Regierung befand, „sowohl eine asiatische Wirtschaftsmacht als auch ein Kernmitglied der G-7-Gruppe der führenden Industrienationen. Deshalb ist es unumgänglich, daß Japan seine zwei Positionen miteinander versöhnt.“ Diese Reaktion war schon deshalb auffallend, da sie den Mahathir-Vorschlag gegen die West-Bindungen Japans aufwog. Okitas Überlegung zeigte, wie ernst man in Japan die Sache bereits nahm.

Tatsächlich würden die ASEAN- Staaten mit der Schaffung einer asiatischen Freihandelszone Japan die unumstrittene Führungsrolle gewähren. In der asiatisch-pazifischen Region bestreitet Japan heute 66 Prozent des Bruttosozialprodukts. Bislang wurde von Wirtschaftsstrategen von einem „Yen-Block“ geredet — als notwendige Konsequenz einer von japanischen Unternehmen und Know-how-dominierten Weltregion oder als zukünftiger Währungsverband asiatischer Staaten, in dem der Yen eine Leitposition innehaben würde wie die D-Mark in der EG. Margret Thatcher hatte auf dem Weltwährungsgipfel 1990 diese monetaristische Weltvision so beschrieben: „Hier sind drei regionale Gruppen vertreten, die eine gründet sich auf dem Dollar, die andere auf dem Yen und die letzte auf der D-Mark.“

In Japan, wo über die Zukunft jedes asiatischen Handelsverbundes entschieden wird, wagen die Regierenden noch keine Entscheidung. „Der wirtschaftliche Dynamismus in Asien“, warnte Japans führende Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai‘, „ist ein Ergebnis von Marktmechanismen und privater Initiative. Baut man darüber eine gemeinsame Politik auf, die andere ausschließt, kann das Asien langfristig nur schaden.“

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