: Tadschikistan: Uran für die Bombe?
Uranminen mehreren Wismut-Mitarbeitern bekannt/ Atomfabrik unter tadschikischer Kontrolle ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) — Die islamischen Staaten Vorderasiens haben möglicherweise einen potenten Verbündeten bei ihrem Streben nach der islamischen Bombe gefunden. Die ehemalige Sowjetrepublik Tadschikistan, das Armenhaus der neuen „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS), verfügt über reiche Uranvorkommen und will sie jetzt vermehrt ausbeuten. Tadschikische Politiker denken nach Presseberichten daran, die Kasse des zentralasiatischen Fünf-Millionen-Volkes mit Uran aufzufüllen.
Und die Chancen stehen nicht schlecht: Tadschikistan verfügt offenbar schon jetzt über mehrere Uranminen. Offiziell bestätigt ist eine Uranmine im Norden des Landes bei Leninabad. Die Mine Tschkalowsk wurde nach Angaben des ehemaligen sowjetischen Atomministeriums schon in den vierziger Jahren in Betrieb genommen. Von dort soll auch das Uran für die erste sowjetische Bombe gestammt haben. In Leninabad wird das Uranerz nach offiziellen Angaben zum sogenannten Yellowcake verarbeitet. 'dpa‘ und 'Interfax‘ berichten von einer supergeheimen Anreicherungsanlage, die Tadschikistan unter seine nationale Kontrolle genommen habe.
Das Londoner Uranium Institute weiß zwar von mehreren Uranvorkommen in Tadschikistan und von Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen dort. Eine Anreicherungsanlage, mit der etwa waffenfähiges Uran hergestellt werden könnte, ist dagegen in London nicht bekannt.
Mitarbeiter der Wismut in Chemnitz kennen mindestens zwei andere Uranminen in dem zentralasiatischen Land, das kaum halb so groß ist wie die Bundesrepublik. Die bis in tausend Meter Tiefe reichenden Minen sollen nach Auskunft von Heinz Siegel von der Wismut-Zentrale in Chemnitz im Westen des Landes nahe der Stadt Pendschikent liegen. Von dort sind es rund 50 Kilometer bis in die alte Handelsmetropole Samarkand. Diese Minen seien auch von den Herren der früheren Wismut auf Dienstreisen besucht worden — unter ihnen der heutige Spartenleiter Bergbau, Rudolf Daenecke. Die Tadschiken hätten „ein reiches Uranvorkommen“, so Siegel gegenüber der taz.
Nach Siegels Informationen arbeiten 2.800 bis 3.000 Mitarbeiter in dem Urankomplex. Die einheimischen Arbeiter würden mit ihren Familien häufig in Barackensiedlungen direkt neben den Halden leben. „Sie machen sich überhaupt keine Probleme mit den Halden“. Siegel berichtete weiter, daß die Aufbereitung des Uranerzes in unmittelbarer Nähe der Minen, aber in separaten Betrieben stattfinde. Transportlogistik brauche es zwischen Mine und Betrieb fast keine. Die Kapazität im Westen Tadschikistans sei etwa so groß wie Aue oder Ronneburg, so Siegel. Neben der sowjetischen Technik, die von der SDAG Wismut verwandt wurde, verfügten die tadschikischen Minen auch über österreichisches und schwedisches Gerät. Martin Fahlbusch, Bergbaukundler an der TU in Clausthal, bestätigte, daß die schwedische Tamrock und der österreichische Voest-Alpine- Konzern Bergbautechnik lieferten, die auch im untertägigen Uranbergbau Verwendung findet.
Uranabbau und die Herstellung von sogenanntem Yellowcake sind auf dem offiziellen Weltmarkt zur Zeit kein lohnendes Geschäft. Der Uranpreis ist so tief wie nie zuvor. Und das Kilo Yellowcake wird mit rund 20 Dollar gehandelt. „Niemand, der wirtschaftlich recht bei Trost ist, würde heute eine Uranmine anlegen“, so Ted Mole vom Uranium-Institute. Und selbst beim angereicherten Uran gebe es Überkapazitäten, ergänzt Manfred Stark von der Frankfurter Urangesellschaft.
Gleichzeitig gibt es aber internationale Interessenten für einen unkontrollierten Uranhandel. Und dafür bietet die zentralasiatische Republik ideale Voraussetzungen. „Tadschikistan ist nicht Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), und wir haben auch keine Kontakte nach dort“, so David Kyd, Sprecher der IAEA in Wien. In der ehemaligen Sowjetunion gebe es Anreicherungsanlagen, die seien auf keiner Karte verzeichnet, so Kyd weiter. Die bekannten Uran-Anreicherungsanlagen liegen dagegen nach Auskunft mehrerer Experten alle in Rußland.
Uran-Interessenten geben sich in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe offenbar die Klinke in die Hand. Mitte Dezember war der iranische Außenminister Ali Akbar Velayati als einer der ersten Besucher im neuen selbsständigen Tadschikistan. Eine jubelnde Menschenmenge begrüßte ihn mit dem Ruf „Du bringst den Duft des Iman Chomeinei“. Die große Mehrheit der tadschikischen Bevölkerung bekennt sich zum Islam, über die Hälfte sprechen als Muttersprache einen persischen Dialekt.
Den Politikern in Duschanbe ging es aber wohl mehr um die Dollars in Velayatis Gepäck als um die Ideologie. Einen Koffer voller Verträge habe der clevere Velayati nach Hause zurückgebracht, berichtete der 'Tagesspiegel‘ damals. Außer den Iranern sollen auch die steinreichen Saudis, die Irakis, die Pakistanis und türkische Emmissäre als Uraninteressenten in Duschanbe vorstellig geworden sein. Pakistan besitzt die Atombombe angeblich schon. Vom Iran und Irak ist das Streben nach der Bombe bekannt. Wie um den Reigen voll zu machen, will der tadschikische Präsident Rachmion Nabijew in nächster Zeit auch zum Atomwaffen-Besitzer Indien reisen.
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