: Organentnahme leichtgemacht
Hannover (taz) — Das erste bundesdeutsche Transplantationsgesetz soll nach dem Willen der SPD der niedersächsische Landtag beschließen. Für die Entnahme von Organen soll die ausdrückliche Zustimmung der Angehörigen eines Verstorbenen nicht mehr erforderlich sein.
Der Gesundheitsexperte der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion Harald Groth benahm sich auf dem Presseabend wie ein ertappter Schuljunge. In zwei Punkten unterscheide sich der SPD-Entwurf für ein niedersächsisches Transplantationsgesetz von einem Gesetzesvorschlag aus dem Jahre 1990 des „Vereins deutscher Transplantationszentren“, erklärte Groth am Dienstag. Anschließend beteuerte er dann, der Vorschlag der Transplantationszentren sei ihm „unbekannt“. Doch leider sind bis auf acht Worte beide Gesetzentwürfe in allen elf Pragraphen gleich. In einem niedersächsischen Alleingang will die SPD-Landtagsfraktion in Hannover jetzt den Mangel an Spenderorganen beheben. Die Zustimmung des grünen Koalitionspartners vorausgesetzt, werde bereits im Mai das erste bundesdeutsche Transplantationsgesetz in den Landtag in Hannover eingebracht, sagte der SPD-Landesvorsitzende Johann Bruns. Der Entwurf des „Vereins deutscher Transplantationszentren“, den der gesundheitspolitische Arbeitskreis der SPD-Landtagsfraktion dafür abgeschrieben hat, glaubt auf die Zustimmung der Angehörigen eines Verstorbenen vor einer Organentnahme verzichten zu können. Nur ein Widerspruchsrecht gegen die Entnahme soll den Angehörigen des Organspenders bleiben. Ist der klinische Tod eines potentiellen Organspenders festgestellt, so verpflichtet der Gesetzentwurf die Transplantationsärzte, die nächsten Angehörigen über die geplante Organentnahme zu unterrichten. Widersprechen diese innerhalb einer „angemessenen Bedenkzeit“, die laut Groth „länger als einige Stunden sein muß“, der Transplantation nicht, so darf sie auch ohne ausdrückliche Einwilligung vorgenommen werden. Sind Angehörige des Organspenders nicht erreichbar, so haben die Ärzte nach dem Gesetzentwurf „den zuständigen Richter“ zu konsultieren und dürfen transplantieren, sofern dieser keine Einwände erhebt. Die Landtags-SPD begründet ihren Vorstoß zur Erleichterung der Organentnahme mit den „800 Menschen, die in der Bundesrepublik jährlich sterben“, weil für sie nicht rechtzeitig das Herz oder die Leber eines Spenders gefunden wird. 6.200 Bundesbürger warten derzeit auf eine Nierentransplantation. Angesichts dieser Argumente blieb es am Dienstag abend allerdings ein Rätsel, warum der SPD- Gesundheitsexperte Groth einen fremden Gesetzentwurf unbedingt als eigenes Werk ausgeben mußte. Jürgen Voges
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