: „Ausgangslage macht froh“
■ Abfallwirtschaft nur Müll? Ex-Umweltstaatrat Lüthge verteidigt seine Politik
taz: Sie waren vier Jahre federführend an der Müllpolitik beteiligt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Jürgen Lüthge: Wir haben in den letzten Jahren ein ganzes Bündel von Maßnahmen durchgeführt. Dazu gehört die Fertigstellung der Rauchgaswäsche in der Müllverbrennungsanlage, Beschluß über den Einbau einer Dioxinminderungsstufe, eine Bodenbörse ist eingerichet, es gibt zwei neue Recycling-Höfe. Und es gibt entscheidende Weichenstellungen. Und das ist der Vertrag mit Bremerhaven, dort den Bremer Restmüll zu verbrennen. Jetzt ist ein Neubau einer Müllverbrennungsanlage aus meiner Sicht nicht mehr nötig.
In den Koalitionsverhandlungen entstand aber der Eindruck, daß diese Weichenstellung so nicht ausreicht. Es muß ja auch Müll reduziert werden, damit die Bremerhavener Anlage ausreicht.
Jetzt fängt der knallharte Vollzug an. Das ist unendlich mühsam. Da gibt es Streit mit Wohnungsanliegern, mit Ortsämtern, mit der Straßenverkehrsbehörde. Aber entscheidend ist die Weichenstellung. Und die ist erfolgt.
Mußten Sie mit Zahlen tricksen, um dies zu erreichen? Dieser Eindruck ist entstanden, weil das Ihnen unterstellte Amt für Abfallwirtschaft (ASA) mit ganz anderen, viel höheren Müllmengen argumentiert.
Es ist mitnichten so, daß man einem Staatsrat unterstellen kann, daß er Zahlen in die Welt setzt, um Politik zu machen. Es ist doch bekannt, daß das ASA hier eine eigene Politik machen wollte, nämlich die Erhaltung oder langfristig den Neubau einer Müllverbrennungsanlage. Wenn schon, steht der Vorwuf hier gleich gegen gleich. Aber letztendlich ist das egal. Der Beweis muß erst in Zukunft erbracht werden.
All ihre Kämpfe haben in einem wichtigen Bereich überhaupt nichts gebracht. Die Gebührenordnung belohnt nach wie vor denjenigen, der viel Müll produziert. Jetzt will Ralf Fücks dies mit erster Priorität 1992 ändern.
Da hat Herr Fücks nichts Neues gesagt. Im Abfallwirtschaftsplan steht drin, daß das 92 passieren soll. Insofern arbeitet er nur, ich meine das ausdrücklich positiv, nach Plan.
Warum ist bislang nichts passiert?
Ich habe das aus Überzeugung gebremst. Wir wollen die Leute anreizen, daß sie organische Abfälle, Glas und Papier zu einem ganz hohen Anteil nicht mehr in ihre Mülltonnen tun. Es gibt aber in Bremen überhaupt keine Infrastuktur, mit wenigen Ausnahmen, die diesen Anreiz empfangen könnte.
Warum gibt es die noch nicht?
Die war nicht zu schaffen, ehe wir uns in Bremen nicht über die „Weichenstellung Müllverbrennungsanlage“ geeinigt hatten. Man konnte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Angenommen wir würden dieses Ortsgesetz ändern, dann würde das bedeuten, daß jeder Bürger die Möglichekeit hat, zu einer Biotonne zu gehen oder eine eigene Biotonne zu haben. Und es müßten überall Glas- und Papiercontainer stehen.
Sind Sie mit den Ergebnissen Ihrer Politik zufrieden?
Ich will nichts schön reden. Aber wenn man die Müllpolitik vergleicht mit meinem neuen Aufgabengebiet Verkehrspolitik, dann wäre ich froh und glücklich, wenn ich dort eine solche Ausgangsbasis hätte, dann würde ich mich freuen, wie ein Schneekönig. Fragen:hbk
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