piwik no script img

Organhandel: Großlager Kairo

Kairo (afp) — In Ägypten machen die Ärzteverbände gegenwärtig gegen den Handel mit Organen von Lebendspendern mobil, der in den letzten Jahren speziell im Bereich Nieren stark zugenommen hat.

Der Verband der Nierenärzte sprach sich in seiner jüngsten Empfehlung dafür aus, diesen Handel zu unterbinden. „Wir verurteilen den Handel mit menschlichen Ersatzteilen“, erklärte der Präsident des ägyptischen Medizinerverbandes, Mamdu Gaber. Die Nephrologen beschlossen ihrerseits einstimmig, darauf hinzuwirken, daß Nierentransplantationen künftig nur noch unter Mitgliedern einer Familie gestattet sind. Der Mangel an geeigneten Spendernieren beruht zum Teil darauf, daß die Organtransplantation von Toten auf Lebende in Ägypten noch immer nicht erlaubt ist, obwohl ein entsprechendes Gesetz seit zehn Jahren in Arbeit ist. So breitete sich die Praxis aus, die materielle Not armer Bevölkerungsschichten in Ägypten oder auch im Ausland auszunutzen und Nieren zu kaufen. Da aber auch viele Ausländer, insbesondere reiche Araber, früher nach Ägypten kamen, weil sie hofften, dort eine geeignete Niere kaufen zu können, wurden bereits vor Jahren die Gesetze verschärft: Seitdem ist die Transplantation von einem ägyptischen Spender auf einen ausländischen Empfänger untersagt.

Dies hält reiche Ausländer allerdings nicht davon ab, weiter auf der Suche nach einem Ersatz für ihre eigene geschädigte Niere nach Ägypten zu reisen. Sie greifen dort auf ein umfangreiches „Angebot“ von Somaliern, Sudanesen oder Nigerianern zurück, die eigens zum Verkauf einer ihrer Nieren nach Kairo kommen. Dort leben sie mitten im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt, im Ataba-Viertel, wo es viele kleine Hotels gibt, die diese besonderen Gäste beherbergen, während sie nach einem Käufer suchen.

Mag auch die Rubrik „Nieren gesucht“ aus den Kleinanzeigen der Zeitungen verschwunden sein, der Markt besteht weiter. Nach übereinstimmenden Angaben bringt eine Niere bis zu 35.000 Dollar (53.000 Mark). Und der Markt ist groß. In Ägypten leiden doppelt so viele Menschen an Nierenleiden wie im Weltdurchschnitt. Auch heute noch stammen jährlich ungefähr hundert von 300 bis 350 transplantierten Nieren aus dem „freien Handel“.

Die einzige Alternative zur Transplantation ist die Dialyse, eine schmerzhafte und extrem teure Behandlung. Obwohl jedes Jahr rund 10.000 neue Fälle von Nierenkranken dazukommen, werden nur rund 1.000 davon in den Behandlungszentren angenommen. Insgesamt werden in Ägypten jährlich etwa 3.500 Patienten einer Dialyse unterzogen. Viele überleben die Behandlung nicht. Zahllose Dialysegeräte, die in Ägypten zur Verfügung stehen, können jedoch aus Geldmangel nicht eingesetzt werden.

Unter diesen Umständen ist der verstärkte Handel mit Nieren für den Kranken oft der letzte Ausweg, und nur schwer in den Griff zu bekommen. Denn, so ein ausländischer Mediziner: „ Ägypten ist ein verlockender Fall, mit seinen extrem armen und extrem reichen Menschen. Wobei noch die reichen Araber aus den Golfstaaten dazukommen.“ Clarisse Lucas

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen