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Skandale wie Perlen auf einer Kette

Nach der Abhöraffäre fordern Freund und Feind den Rücktritt des irischen Premiers  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die irische Skandalnudel Nummer eins, Premierminister Charles Haughey, ist schon wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Nachdem sein Ruf wegen zahlreicher dunkler Finanzgeschäfte auf Kosten der Steuerzahler Ende letzten Jahres ohnehin schweren Schaden genommen hat, geht es diesmal um eine Telefon-Abhöraffäre. Die liegt zwar schon neun Jahre zurück und war längst vergessen, doch am Mittwoch abend ist sie zum Entsetzen der Regierungspartei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) wieder auferstanden.

1983 waren ständig Regierungsinterna an die Öffentlichkeit gedrungen und von der Presse genüßlich ausgebreitet worden. Um den Informanten in den eigenen Reihen zu fassen, segnete der damalige Justizminister Sean Doherty das Anzapfen der Telefone von zwei politischen Journalisten an — ohne Ergebnis. Als der geheime Abhörvorgang schließlich ebenfalls durch anonyme Hinweise bekannt wurde, mußten Doherty und der Polizeichef zurücktreten.

Die Untersuchung der Affäre brachte Bizarres zutage. So waren nicht nur die Telefone der beiden Journalisten verwanzt, sondern die Fianna-Fail-Minister hatten sich auch gegenseitig abgehört. Haughey überstand jedoch wider Erwarten einen Mißtrauensantrag der eigenen Fraktion, weil Doherty versicherte, der Chef sei von allem völlig ahnungslos gewesen. Doherty gelang erst vor drei Jahren ein politisches Comeback — diesmal als Senatssprecher. Eine Gesetzesvorlage über das Abhören von Telefonen, die im nächsten Monat im Parlament eingebracht werden soll, drohte nun den für ihn peinlichen Skandal wieder aufzuwärmen. So beschloß Doherty am Mittwoch abend, auszupacken. Er habe damals die Abhörprotokolle über die beiden Journalisten — kaum daß die Tinte trocken war — seinem Chef Haughey übergeben, erzählte er einer staunenden Journalistenschar. Nicht nur die Opposition fordert jetzt Haugheys Rücktritt, sondern viele Fianna-Fail-Abgeordnete sehen diesen neuen Skandal als gute Gelegenheit, den ungeliebten Parteivorsitzenden endgültig loszuwerden.

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