: Ein Kugelfisch mit Dralon-Schlips
Peter Strohm: „Ehrensache“, Krimiserie, um 20.15 Uhr in der ARD ■ Von Martin Muser
Peter, ein Name für Helden: Peter der Große, Peter Pan und schließlich Peter Strohm. Strohm, das liegt irgendwie unentschlossen zwischen „Strom“ und „Stroh“, suggeriert einerseits Spannung und läßt andererseits Strohdummes fürchten. Eine subtile Warnung an die Zuschauer? Mit dem „Privatagenten“ Peter Strohm hat uns die ARD im Verein mit dem ORF den mit Abstand unerträglichsten Krimi-Serientäter der letzten Jahre beschert. Als Strohmann für die Rolle des Detektivs reüssiert nimmermüde nun schon seit über 30 (!) Folgen Klaus Löwitsch. Der MANN fürs Harte (selbst wenn sein Genital — wie 'Penthouse‘ und dann Springers 'BZ‘ unlängst meldeten — zur ewigen Weichheit verdammt sein soll).
Peter Strohm, das ist die Rambo- Klonung aus dem Hause Woolworth: der leicht angeschmuddelte Einzelkämpfer mit Bauch, Platte und Pistole. Kein Fall ist ihm zu schwer: ob Giftgasexporte, Stasi-Spitzel oder eine Operndiva mit dem grotesken Namen „Maria Callari“ — Strohm nutzt unverdrossen jede Gelegenheit, seinen roten Dralon-Schlips im Pulverdampf zu räuchern. Natürlich bietet er permanent die ganz coole Nummer: mal aasig, mal macho, ein bissel brutalo und immer so sexy wie ein ranziger Kugelfisch. Und dabei bleibt den Drehbuchschreibern neben halbherzigen Action-Einlagen und hölzernen Dialogen auch noch genug Zeit, ihren Protagonisten über die moralische Verfaßtheit der Gegenwart räsonieren zu lassen: „Die Menschen sind böse.“
Nur gut, daß es Löwitsch gibt, der sich mit Strohm — Gott weiß wie — „voll identifizieren kann“. Redlich müht sich der gelernte Schauspieler und Tänzer (ehemals Corps de Ballett der Wiener Volksoper) das integre Rauhbein zu mimen. Daß er dabei treffsicher den Charme eines cholerischen Bürsten-Vertreters versprüht, gehört zu einem der reizvollsten Widersprüche der Serie. Eher klein und schwammig als groß und stark, ersetzt Löwitsch durch Haltung, was die Erscheinung nicht hergeben will. Mit dem Erfolg, daß er so spreizbeinig durch die Szenerie eiert, als trüge er ganz nebenbei ein Klavier unter dem Arm. Die eindeutig beste Nummer ist jedoch der Strohmsche „Salto Telephonale“: ein hysterischer Hechter ans Fernsprechgerät, der dem Stördienst der Bundespost den Angstschweiß auf die Stirn treiben muß. Weitere Höhepunkte erreicht Löwitschs Performance, wenn seine Kinnlade ultra- maskulin aus der Walroß-Physiognomie zuckt oder sein schmalziger Haarkranz (in Großaufnahme!) über den immerblauen Hemdkragen schmaddert. Zweifellos ein Mann aus dem Charakterfach.
Klar, daß Frauen sich bei derart überzeugend vorgebrachter männlicher Superiorität mit den zweiten Plätzen begnügen müssen. Sie figurieren als „kleine Dummchen“, „raffinierte Biester“ oder „heiße Puppen“, und alle können sie nicht umhin, IHM zu verfallen. Die Arithmetik des Geschlechtsverhältnisses reduziert sich auf die simple Formel: Je mieser Strohm sie behandelt, desto toller finden sie ihn. Doch, ach, vergebens. Selbst das tiefste Dekolletée ist nichts gegen eine große Tat. Echte Helden sind eben verdammt einsam.
Wer's trotzdem nochmal richtig gruselig haben will: Peterchens — vorläufig letzte — Mondfahrt läuft heute um 20.15Uhr im Ersten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen