: Die Probleme wachsen
■ Gleiche Rechte für alle Einwohner Europas
Die Kämpfe in Jugoslawien, das Wiedererstarken des Neonazismus in Deutschland, der Nationalen Front in Frankreich und Belgien, der extremen Rechten in Österreich und der Schweiz: Niemand kann heute mehr die Augen verschließen vor der Gewalt, die in Europa zwischen ethnischen Gruppen entfacht oder gegenüber Einwanderern verübt wird. Das Europäische Parlament hat sich besonders seit den zweiten Direktwahlen 1984 mit den Problemen der ethnischen Minderheiten befaßt. Ein Untersuchungsausschuß gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ließ 1986 Fallstudien erstellen. Damals glaubten wir mit einiger Gewißheit für die nahe Zukunft ausschließen zu können, daß eine rechtsextreme Partei in Deutschland Mandate für das Europäische Parlament gewinnen könnte. Einhellig waren wir der Ansicht, daß in Italien das Klima im Vergleich mit allen Mitgliedsstaaten am tolerantesten war.
Kaum zwei Jahre danach erhielt die „Republikanische“ Partei des Franz Schönhuber sechs Sitze im Europäischen Parlament und vereinigte sich „technisch“ mit Jean-Marie Le Pens Fraktion. Anfang 1990 kam es in Italien zu einem Aufflammen von Rassismus. Im Jahr zuvor, bei den Europawahlen, konnte die Lombardische Liga, eine Partei, die gegen Ausländer in Italien und gegen Süditaliener im Norden des Landes kämpft, zwei Sitze gewinnen. Bei den Wahlen in Belgien sammelten die Parteien der extremen Rechten mit ihrer Wahlkampagne gegen Minderheiten fünfzehn Prozent der Stimmen. Der europäische Binnenmarkt wird erhebliche Folgen für die in Europa lebenden Minderheiten, aber auch für die Zuwanderer aus der „Dritten Welt“ haben. So wird die Abschaffung der Binnengrenzen mit Sicherheit zu verstärkten internen Kontrollen führen. Denn wie soll die britische Polizei ansonsten in der Lage sein, eine Person zu ermitteln, deren Visum bereits abgelaufen ist. Als einfachste Variante bietet sich da die „Andersartigkeit“, also zum Beispiel die „Hautfarbe“ an. Belästigt werden deshalb höchstwahrscheinlich britische Schwarze oder schwarze Franzosen. Deshalb müssen die Wanderarbeiterinnen dieselben Rechte erhalten, wie die „wandernden“ EG-Bürger: Wahlrecht, Freizügigkeit, Zugang zur Arbeit. Alle Einwohner Europas müssen gleich behandelt werden. Glyn Ford
Glyn Ford ist Vorsitzender der Labour-Abgeordneten in der Sozialistischen Fraktion des Europaparlamentes und Vorsitzender des erwähnten Ausschusses gegen Rassismus und Gewalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen