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Ein Skandal zuviel für Charles Haughey

Nach vierzig Jahren in der Politik hat der irische Premierminister gestern seinen Rücktritt angekündigt  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Charles Haugheys Tage sind gezählt. Gestern kündigte der irische Premierminister auf der Fraktionssitzung seiner Partei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) an, er werde am nächsten Donnerstag zurücktreten. Der kleine Koalitionspartner, die Progressiven Demokraten (PD), hatte schon in der vergangenen Woche seinen Kopf gefordert. Andernfalls würden sie die Regierung platzen lassen. Damit wären Neuwahlen unvermeidlich gewesen— ein Alptraum für viele Hinterbänkler aus Wahlkreisen mit knappen Mehrheiten, da Fianna Fail laut Meinungsumfragen aufgrund der Anhäufung von Finanzskandalen nur noch bei 40 Prozent liegt.

Pikanterweise hatten sich die Progressiven Demokraten erst 1986 von Fianna Fail abgespalten, weil sie vergeblich versucht hatten, Haughey als Parteichef abzusägen. Daß sie es nun endlich geschafft haben, ist bei Teilen Fianna Fails mit kaum versteckter Erleichterung aufgenommen worden. Schließlich gab es im November abermals eine fruchtlose parteiinterne Revolte gegen den Vorsitzenden.

Woran ist Haughey, der Skandale sammelte wie andere Leute Briefmarken, letztendlich gescheitert? Es ging um eine Telefon-Abhöraffäre aus dem Jahr 1983. Damals hatte Justizminister Sean Doherty die Telefone von zwei politischen Journalisten anzapfen lassen — ohne Haugheys Wissen, wie Doherty, der seinen Hut nehmen mußte, beteuerte. Doch als der Skandal in der vergangenen Woche wegen eines neuen Abhörgesetzes wieder aufgekocht wurde, wollte Doherty nicht mehr den Sündenbock spielen. Er erklärte, er habe damals die Abhörprotokolle über die beiden Journalisten seinem Chef Haughey übergeben. Dieser bestritt dies zwar vehement, doch eine Blitzumfrage ergab, daß über 90 Prozent der Bevölkerung Doherty glaubten. Ein niederschmetterndes Ergebnis, zumal Doherty keineswegs als ehrliche Haut gilt. Er war selbst in einen der größten Skandale im Umfeld des Premierministers verwickelt. Im Dezember 1981 war Dohertys Schwager, ein Polizist, angeklagt, in der Grenzstadt Dowra bei einer Kneipenschlägerei einen nordirischen Gast verprügelt zu haben. Doch der konnte zum Prozeß nicht erscheinen: Auf Dohertys Wunsch hatte die nordirische Polizei ihn vorübergehend festgenommen, so daß Dohertys Schwager mangels Beweisen freigesprochen werden mußte.

Der Streit um Haugheys Erbe ist bereits voll entbrannt. Doch der im November geschaßte Finanzminister Reynolds und sein Nachfolger Bertie Ahern, die als Haughey-Ersatz gehandelt werden, sind graue Mäuse. Wenn Haughey nächste Woche nach 40 Jahren die politische Bühne verläßt, wird es langweilig in der irischen Politik.

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