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Jagdzeit im Ostertor

■ Betr.: „Vertreibung der Junkie-Szene vom Sielwall“

Während die senatorischen Stellen für Soziales und Gesundheit sich in Schweigen hüllen, bekommt Herr van der Upwich „Redeverbot“; nur von wem, frage ich mich.

So ist die Ampel zur Zeit ausschließlich auf „Gelb“ geschaltet. Und sie schaltet mit Hilfe der Polizei — frei — im Ostertor. Das Viertel gleicht einem militärischen Sperrbezirk mit massivem Polizeiaufgebot, Hundestaffeln und Razzien. 160 Junkies wurden binnen 3 Tagen abgegriffen, zur Wache transportiert, durchsucht, Spritzbestecke beschlagnahmt, Viertelverbote erteilt; und wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne daß der restliche Senat auch nur eine Verlautbarung von sich gab.

Die MitarbeiterInnen der Kommunalen Drogenpolitik sind seit der Polizeieinsätze ebenfalls im Einsatz und können bestätigen, was täglich zwischen 10.00 Uhr morgens und 18.00 Uhr abends im Ostertor abläuft. Wie eine Litanei tibetischer Gebetsmühlen predigen sie von Dezentralisierung, Wohnraum für obdachlose Junkies, mehr Entgiftungsbetten und Therapieplätze, ohne daß ihre Forderungen Gehör finden.

Deshalb frage ich nachdrücklich: wollen die SenatorInnen für Soziales und Gesundheit nicht endlich Stellung beziehen, oder können / dürfen sie nicht? Auch sie sollten wissen, daß mit einer solchen Polizeigewalt soziale Probleme nicht aus der Welt geschaffen werden können. Schon gar nicht dient dieses Uniformaufgebot dazu, ViertelanwohnerInnen ein Gefühl von scheinbarer Sicherheit vorzugaukeln, eher das Gegenteil ist der Fall. Ich gebe mich auch nicht damit zufrieden, was als vereinzelte Stellungnahmen der Grünen in der Presse nachzulesen ist, sondern verlange konkrete Vorschläge, Konzepte und Gespräche mit allen beteiligten Parteien.

Deshalb begrüße ich das Verhalten der Drogenarbeiter der Weberstraße, daß sie weiter am Ostertor präsent sein und dafür sorgen werden, daß die Betroffenen wenigstens eine Stimme haben, die gehört wird.

Singe Kremer

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