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Brandenburg schweigt im Steuerstreit

Heftiger Schlagabtausch zwischen Regierungskoalition und Opposition nach gescheitertem Steuerkompromiß/ Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) schielt immer noch nach Brandenburg  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Am Tag nach der gescheiterten Kompromißsuche zum Steuerpaket schoben sich Bundesregierung und Opposition gestern gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Eine „eklatante sozialpolitische Schlagseite und einen Anschlag auf die faire Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern“ bescheinigte SPD-Verhandlungsführer Oskar Lafontaine dem Paket, das Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) am 14. Februar dem Bundesrat vorlegen will. CDU- Generalsekretär Volker Rühe beklagte dagegen die Verweigerungshaltung der SPD, die ein „Schlag ins Gesicht der Menschen in den neuen Ländern“ sei.

Nach sechsstündigen Verhandlungen hatte die Regierungsseite am Mittwoch abend mit ihrer Mehrheit im Vermittlungsausschuß dem Vorschlag der Koalition zugestimmt. Ihr Beschluß sieht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent vor, über die die Finanzhilfen für die neuen Länder, Familienleistungen und die Unternehmenssteuerreform finanziert werden sollen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, der abweichend vom Kurs der SPD die Mehrwertsteuererhöhung nicht zur Grundsatzfrage machen wollte, warf der Bundesregierung vor, sie habe eine Einigung nicht gewollt. Waigel habe sich gegen die von der SPD geforderte Verdoppelung des Erstkindergeldes auf 100 DM gesperrt. Niedersachsen könne auf keinen Fall mittragen, daß der Erlös aus der Mehrwertsteueranhebung vollständig in die neuen Länder fließen soll. Schröder rechnete vor, daß dieses Steuerpaket seinem Land 1993 über 800 Millionen Mark Verlust bringen würde. Waigel hielt dagegen, daß er den Ländern mit der angebotenen Erhöhung ihres Anteils am Mehrwertsteueraufkommen auf 37 Prozent entgegengekommen sei.

Sollten tatsächlich alle SPD-geführten Länder das Steuerpaket im Bundesrat ablehnen, müßte Waigel sein Gesetz neu in den Bundestag einbringen. Daß dann das höhere Kindergeld und die verbesserten Kinderfreibeträge, vor allem aber die stattlichen Finanzspritzen für die neuen Länder für 1992 storniert wären, wirkt als harter Druck in Richtung Brandenburg, auf dessen Bundesratszustimmung Waigel offenbar spekuliert. Süffisant erinnerten diverse Koalitionspolitiker an die finanziellen Forderungen, die die brandenburgische Arbeitsministerin Hildebrandt (SPD) laufend an die Bonner Adresse richte.

Unionspolitiker Rüttgers verdächtigte die SPD sogar der Nötigung gegenüber Brandenburg. Dessen Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) wird sich gut überlegen, wie er sich nächste Woche im Bundesrat verhält. Gestern hüllte sich seine Landesregierung dazu jedenfalls in tiefes Schweigen.

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