: Mehr Kultur, weniger „Jugend“
■ In einer Sondersitzung einigte sich die Koalition auf 14 Mio Zulage für Kultur
Einen Tag lang herrschte gestern im Rathaus Koalitionskrise, nach einer dreistündigen Sitzung des Koalitionsausschusses präsentierten sich dann Kultursenatorin Helga Trüpel, Bürgermeister Klaus Wedemeier und FDP-Wirtschaftssenator Claus Jäger in vollkommener Einigkeit: Helga Trüpel ist einverstanden, daß die neue Sozialsenatorin Irmgard Gartner die Zuständigkeit auch für „Jugendarbeit“ erhält. Die Kultur bekommt dafür für 1992 fünf und in 1993 neun Millionen Mark mehr als die Eckwerte für den Haushalt nach der bisherigen Planung vorsahen.
„Ein Dauerkonflikt macht keinen Sinn“, meinte Trüpel zu der durch ein Rechtsgutachten des Justizsenators entstandenen Situation: Danach hätte die Dienstaufsicht bei dem Sozialressort liegen müssen, nur die Fachaufsicht hätte auf das Trüpel-Ressort übergehen können. Dies wollte Trüpel nicht, für den Verzicht auf den Bereich Jugendarbeit aber eine „deutliche Kompensation“.
In Gedankenspielen war in den vergangenen Tagen auch das Gesundheitsressort als „Kompensation“ ins Gespräch gekommen. Dies hätte auch eine eigenständige Organisation von „Gesundheit“ gegenüber dem Sozialressort ermöglicht, für die sich insbesondere die Krankenhäuser ausgesprochen hatten. Nach einem Vier-Augen-Gespräch hatte Bürgermeister Wedemeier am Freitag Mittag aber erklärt, das Doppelressort von Irmgard Gaertner bleibe ungeteilt. Es hatte auch in der SPD deutliche Kritik an einer Lösung „Kultur/ Gesundheit“ gegeben, die den Einflußbereich der Grünen vergrößert hätte. Zudem waren einige verärgert, die nicht rechtzeitig in das Gedankenspiel eingeweiht waren. „Das haben viele aus den Medien erfahren“, meinte Wedemeier trocken.
Den erreichten Kompromiß bezeichnete Trüpel als „tragfähig“. Die Kritik an ihrem Ressortzuschnitt wies sie mit dem Hinweis auf die Bedeutung der in Bremen vernachlässigten Kultur zurück. Durch die zusätzlichen Mittel muß das Ressort 1993 nicht sechs Millionen kürzen, wie bisher geplant, sondern hat sogar 3 Millionen mehr. Der gesamte Etat mit Drittmitteln bewegt sich damit knapp über 100 Millionen. Die Zuständigkeit für die Zentralstelle für Ausländerintegration wird bei Trüpel bleiben.
Sie bezeichnete die gefundene Regelung als „deutliches Zeichen“ für ihre Aufgabe. Wedemeier erinnerte daran, daß die Koalitionsabsprachen über Kultur nicht angemessenen Niederschlag in den festgesetzen Haushalts-Eckwerten gefunden hätten, so daß dies im Grunde jetzt nachgebessert worden sei.
Martin Thomas trat zurück
Im Hintergrund des machtpolitischen Tauziehens um die Kultursenatorin stehen alte Differenzen. Daß im nachhinein ein Gutachten angefordert wurde, ist nur im Zusammenhang des Konfliktes mit Personalratsvertretern zu verstehen, die gegen die Abtrennung des Bereichs Jugendarbeit an die grüne Senatorin waren. Unter den PersonalratsvertreterInnen findet sich auch Ulrike Buchner, die sich um einen Platz auf der grünen Bürgerschaftsliste beworben hatte und an dem „Nein“ der Realo-Strömung der Grünen gescheitert war.
Auch in der grünen Fraktion wirken noch Rivalitäten aus der Zeit der Senatsbildung nach, die Unterstützung der Kultursenatorin ist nicht ungeteilt. Martin Thomas, Abgeordneter und bisher Vertreter im Koalitionsausschuß, legte wenige Stunden vor der Sitzung gestern früh sein Mandat nieder. „Für diese undankbare Aufgabe braucht man das Vertrauen und die Unterstützung der Fraktion“, sagte er. So war neben dem Fraktionsvorsitzenden Dieter Mützelburg nur Arendt Hindriksen als Vertreter des Landesverbandes der Grünen bei den Verhandlungen mit Helga Trüpel und dem Koalitionsausschuß dabei. K.W.
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