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Sieben Jahre für RAF-Aussteigerin

■ Die Bundesanwaltschaft hatte gegen das ehemalige RAF-Mitglied Monika Helbing trotz Kronzeugenregelung auf 13 Jahre plädiert/ „Kollektivitäts-These“ im Urteil relativiert

Stuttgart (ap) — Das frühere RAF- Mitglied Monika Helbing ist gestern zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Der zweite Strafsenat des Stuttgarter Oberlandesgerichts sprach die 38jährige des Mordes an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 schuldig und erkannte in diesem Fall außerdem auf Geiselnahme in Tateinheit mit versuchter Nötigung eines Verfassungsorgans. Die Kronzeugenregelung wurde angewandt. Außerdem wurde die Gesundheitsfürsorgerin im Zusammenhang mit einem Bankraub der Roten Armee Fraktion im April 1979 in Nürnberg wegen Beihilfe zu schwerer räuberischer Erpressung verurteilt.

Das Gericht in Stuttgart-Stammheim blieb mit seinem Urteilsspruch nach rund einmonatiger Prozeßdauer weit unter dem Strafantrag der Bundesanwaltschaft, die trotz Anwendung der Kronzeugenregelung 13 Jahre und damit die bislang längste Freiheitsstrafe gegen ein geständiges ehemaliges RAF-Mitglied gefordert hatte. Die Anklage hatte im Tatkomplex Schleyer auf fünffachen Mord an dem Industriellen und seinen vier Begleitern plädiert. Der Senat ließ ferner den Vorwurf des versuchten Mordes und der Mitwirkung am mißglückten Raketenwerferanschlag auf die Bundesanwaltschaft im August 1977 fallen.

Die Verteidigung hatte in ihrem Plädoyer darauf hingewiesen, daß sich die Angeklagte während der Entführung und Ermordung Schleyers in Bagdad aufgehalten hatte. Die von Monika Helbing gestandene Ausspähung der Fahrtroute Schleyers sowie die Anmietung einer Wohnung für den Entführten in Erftstadt- Liblar war von ihren Anwälten als Geiselnahme und versuchte Nötigung eines Verfassungsorgans, höchstens jedoch als Beihilfe zum Mord gewertet worden. Zugunsten Helbings wertete es das Gericht, daß Monika Helbing nicht zum inneren Kreis der RAF gehört habe. Die Hauptverhandlung hätte keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie die Pläne zur Tatausführung gekannt habe. Jeder hätte nur so viel gewußt, wie er unbedingt habe wissen müssen. Innerhalb der RAF hätte es nur eine „bedingte Kollektivität“ gegeben, erklärte der Richter.

Monika Helbing war im Herbst 1980 in der DDR untergetaucht und hatte mit Unterstützung des Staatssicherheitsdienstes fast zehn Jahre lang unentdeckt als Krankenschwester unter dem Namen Monika Winter in Eisenhüttenstadt gearbeitet. Dort war sie im Juni 1990 verhaftet worden. Im März 1981 hatte sie den Arzt und RAF-Aussteiger Ekkehard von Seckendorff-Gudent alias Horst Winter geheiratet, mit dem sie einen Sohn hat. Ein Verfahren gegen Seckendorff-Gudent wurde unter anderem deswegen eingestellt, weil der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verjährt war.

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