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■ ARTUR, BERLINOIDSucht & Ordnung

Zora raucht wie eine Reichsunmittelbare, französische Zigaretten, filterlos, manchmal auch die gelben, Maispapier, und sie duftet auch so, geschmeidig und weltgewandt.

»Rauchen ist doch das Allerletzte, völlig abwegig«, hatte sie gebrummelt, »ich muß das endlich lassen!«

Und wahrhaftig hatte sie sich dann für eine dieser niederschmetternden Veranstaltungen, nonverbale Gesprächstherapie und so, in ihrem Falle »NichtraucherIn in fünf Tagen« angemeldet.

Tja, sagte Artur, wenn du denn meinst, dann mach; mach, wenn's deinem Seelenfrieden dienlich ist.

Nach der zweiten Sitzung trafen sie sich wieder. Um die sechzig Leute wären bei diesem Kurs im Krankenhaus, erzählte Zora. Wie? Krankenhaus?! Ja, das ist alles wissenschaftlich und ganz wichtig, die kennen sich genau aus. Und sie haben auch extra einen zur psychischen Stimulierung dabei ... Häh? Klatscht der immer Beifall nach ganz besonders eindrucksvollen Beiträgen, oder was?

Nee, der hustet. Der hustet so, daß du denkst, der muß gleich kotzen, mit 'nem feuerroten Kopp und so was von provozierend, daß alle ganz betroffen sind. Ich glaube fast, der hustet auf Zeichen, humpelt auch, vielleicht hat er wirklich ein Raucherbein, ganz schön alt sieht der aus.

Ach, sagt Artur, das ist ja interessant, ein Claqueur also, der Lohn-Huster vom Dienst. Bemerkenswert.

Darauf könnte man kommen, meinte Zora, die Veranstaltung findet schließlich in einem Krankenhaus statt.

Heutzutage, sagt Artur, heutzutage muß man mit allem rechnen, selbst mit Alpträumen, aber so was ist wirklich erfrischend, daß einer sich fürs Husten und fürs Hinken engagieren und entlohnen läßt. Ich dachte, das sei ein ernsthafter Entwöhnungskurs und nicht eine Laienspielgruppe... Zweifelnd bewegte Zora ihren Kopf, die Mundwinkel leicht heruntergezogen und wedelte locker mit der rechten Hand. Was weiß man schon, was die sich alles einfallen lassen? Es ist die Erfolgsstatistik, die zählt. Aber deswegen so einen Kurs besuchen?, fragt Artur hinterhältig. Wenn du wirklich aufhören willst mit dem Gerauche, dann tu's doch! Ach Artur, lächelte Zora fein, wenn das alles so einfach wäre. Bei mir ist das Rauchen fast schon automatisiert, darüber denke ich kaum mehr nach. Eine zum Kaffee, eine nach dem Essen, eine beim Telefonieren, eine zwischendurch, auch zwei oder drei vorher und nachher — dieses Seminar mit dem Huster rückt mir das wieder voll ins Bewußtsein, ich überlege bereits öfters, ob ich überhaupt noch welche kaufen soll.

Artur nickte stumm, fischte ein zerknittertes Zigarettenpäckchen aus der Hosentasche und legte es, nachdem er sich eine genommen und angezündet hatte, auf den Tisch.

Vorwurfsvoll, fast lauernd, wurde er von Zora beobachtet. Dann fingerte sie sich entschlossen eine hervor, ließ blitzschnell das Päckchen verschwinden und beugte sich, Feuer heischend, zu Artur vor. Wie wär's denn, wenn wir gemeinsam mit der elenden Qualmerei aufhörten?, feixte sie. Ich jedenfalls gebe nie wieder einen Pfennig für Zigaretten aus, mein Lieber. Clemens Walter

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