piwik no script img

Zaghafter Reformvorschlag in Irland

■ Vergewaltigter Minderjähriger soll die Konfrontation mit dem Täter vor Gericht erspart werden

Dublin (taz) — Der Fall der 14jährigen Irin, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war und erst im Berufungsverfahren die Ausreisegenehmigung für eine Abtreibung in England erhielt, hat eine heftige Debatte über die irische Verfassung ausgelöst, die weit über das Abtreibungsverbot hinausgeht.

So berät das Parlament in Dublin inzwischen über eine Änderung des Zeugenrechts: Vergewaltigte Kinder sollen in Zukunft nicht mehr dem Vergewaltiger vor Gericht gegenübertreten müssen, sondern ihre Aussage per Videoaufzeichnung machen können. Die Beweislast soll jedoch nach wie vor beim Opfer liegen.

Jim Tunney, der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Fianna Fail, will darüber hinaus ein Gesetz abschaffen, wonach bei Inzestfällen die Mutter des Opfers den Täter formal als Vater identifizieren muß. Am Freitag war ein wegen Inzest angeklagter Mann freigesprochen worden, weil die Mutter der Klägerin nicht im Gerichtssaal anwesend war. „Das hieße ja, daß die Tochter eines Witwers vor Gericht keine Chance hätte“, sagte Tunney.

Der irische Kinderschutzbund hat am Wochenende Zahlen über das Ausmaß der Kindesmißhandlung veröffentlicht. Seit der Notruf für mißhandelte Kinder vor vier Jahren in Irland eingerichtet wurde, sind dort 130.000 Anrufe eingegangen — ein Viertel wegen Sexualdelikten. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Anrufe um ein Drittel auf tausend pro Woche gestiegen. Der Kinderschutzbund will ein Referendum über den Verfassungsparagraphen herbeiführen, der dem Elternrecht Vorrang gegenüber den Rechten der Kinder einräumt — eine Forderung, die auf erbitterten Widerstand kirchennaher Organisationen stößt.

Die Auseinandersetzungen um das konstitutionelle Abtreibungsverbot werden mit immer härteren Bandagen geführt. Am Wochenende stürmte eine Gruppe von Männern eine Veranstaltung von AbtreibungsbefürworterInnen. Die Männer „mittleren Alters“ warfen einem Redner eine Blechdose an den Kopf, verprügelten eine Frau und entrollten Plakate, auf denen abgetriebene Föten abgebildet waren. Ralf Sotscheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen