: Wie ein Wirtschaftsmanager sein soll
■ Bremer Sozialwissenschaftler untersuchten Stellenannoncen für FÜhrungskräfte
Auch in den oberen Etagen deutscher Unternehmen ist vielleicht nicht mehr alles beim alten. Manch ein junger Chef ist softer als der Senior, und ein demokratischer Stil des Managements bringt in manchen Unternehmen die Betriebsräte ins Schleudern, weil das Feindbild plötzlich anders aussieht. Eine Bastion des Alten scheinen aber die Personalchefs zu sein: Wenn sie per Zeitungsannonce einen neuen Manager suchen, schwebt ihnen wohl noch immer ein Haudegen der Nachkriegsschule vor. Denn Führungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen sind die wichtigsten Qualitäten, die — etwa im F.A.Z.-Stellenmarkt — Spitzenmänner in deutschen Unternehmen haben müssen. Das ergab eine Analyse von Stellenannoncen aus den Jahren 1990 und 91. Bei den gewünschten Eigenschaften rangierte die Führungskraft deutlich vor Teamgeist und Kreativität - aber auch vor fachlichen und formalen Qualifikationen. Die beiden Autoren der Studie ] haben auch mit Fachleuten der „Zentralstelle für Arbeitsvermittlung“ in Frankfurt gesprochen, die zur bundesdeutschen Arbeitsverwaltung gehört.
Ein Hochschulstudium ist Vorraussetztung in den oberen Führungsebenen der Industrie. Die gewünschte Fachrichtung ist in vielen Anzeigen nicht angegeben, stillschweigend erwarten die Personalchefs dann wohl meistens ein wirtschaftswissenschaftliches Diplom. Aber zunehmend wollen die Unternehmen Ingenieure in den Führungspositionen sehen und besonders gerne Wirtschaftsingenieure, die auf der Universität technischen und auch wirtschaftlichen Sachverstand erworben haben. Juristen, früher im Management noch stark vertreten, sind kaum mehr erwünscht.
Heiß begehrt sind dagegen Verkaufsmanager. Da käme es kaum darauf an, was die nun studiert haben, meint Walter Gröh, einer der Autoren der Studie. Sie müßten nur glaubhaft machen können, daß sie fähig sind, sich in die Märkte einzuarbeiten.
„Sprachkenntnisse sind bei Führungskräften eine Selbstverständlichkeit“, zitiert die Studie einen Experten der öffentlichen „Zentralstelle für Arbeitsvermittlung“. Nach Englisch erwarten die Firmen in erster Linie Französisch und dann Spanisch und Portugisisch. Osteuropäische Sprachen wurden trotz Ostgeschäfts in den Stellenanzeigen nicht gefordert.
Wer eine Position ganz oben im Unternehmen hat, kann seine praktischen Kenntnisse in elektronischer Datenverarbeitung und neuer Logistiktechnik vergessen. Die werden nach den Ergebnissen der Studie nur auf den mittleren Ebenen verlangt. Von den Top-Leuten erwarten die Firmen jedoch eine globale Kenntnis der neuen Techniken, die sie zu Entscheidungen befähigt.
Berufsanfänger sind in den Stellenanzeigen für Spitzenpositionen noch nicht gefragt, schon gar nicht in Großbetrieben. Diese Firmen beschäftigen Hochschulabsolventen auf unteren Managementebenen und unterwerfen sie in den folgenen Jahren einem hauseigenen System der Weiterqualifikation und Auswahl. Das Ergebnis sei eine maßgeschneiderte FÜhrungsmannschaft die sich nach der Regel „Aufstieg geht vor Einstieg“ kontinuierlich von unten ergänzt, stellt die Studie fest. Wer also auf den Anzeigenseiten der Zeitungen seinen Wunschposten finden will, muß sich mit mittleren Unternehmen begnügen.
Eine Managerarbeitslosigkeit gibt es nicht, im Gegenteil: Die deutsche Wirtschaft boomt, und wo sie am stabilsten wächst, da ist die Nachfrage nach Führungskräften ebenfalls am stärksten. Mit fast 20 Prozent der Anzeigen lag die baden-
württembergische Industrie vor dem Ruhrgebiet (13 Prozent) und Bayern mit knapp acht Prozent. Mir 3,5 Prozent ist die Nachfrage an Führungskräften im Nordwesten Deutschlands sehr gering. Der Osten war in die Untersuchung noch nicht einbezogen, aber Mitautor Walter Gröh weiß aus Gespächen mit Arbeitsvermittlern: „Manager, die im Westen nicht die gewünschte Stelle finden, gehen in die neuen Bundesländer.“ Michael Weisfeld
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