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Freispruch für Oberleutnant

■ Vorwurf der Freiheitsberaubung nicht nachweisbar

Berlin. Ein früherer Oberleutnant des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR wurde am Montag vor dem Amtsgericht Tiergarten »trotz großer Bedenken« der Richter vom Vorwurf der Freiheitsberaubung und Körperverletzung freigesprochen. Der 29jährige Angeklagte war beschuldigt worden, in der Nacht zum 8.Oktober 1989 auf dem Alexanderplatz einen Gebäudereiniger grundlos festgenommen und seinen Arm schmerzhaft auf den Rücken gedreht zu haben. Seinerzeit waren anläßlich der Demonstrationen zum 40. Jahrestag der DDR mehrere tausend Personen von der Volkspolizei festgenommen und bis zu zwei Tagen auch unter Mißhandlungen in Polizeikasernen festgehalten worden.

Der Angeklagte gehörte zur Antiterroreinheit der Stasi, die 1989 auch mit der Bekämpfung von inneren Unruhen und Demonstrationen befaßt war. Er hatte vor Gericht geschwiegen. So hatte auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert, obwohl »alles dafür spreche«, daß er der Täter gewesen sei. Es fehle jedoch die letzte Sicherheit, daß er persönlich die Festnahme am Alexanderplatz vorgenommen habe. Im Juni 1990 hatte der Gebäudereiniger den Ex- Leutnant auf einem Foto identifiziert. Bei einer Gegenüberstellung im Gerichtssaal mit vier weiteren Männern tippte er jedoch auf den falschen. Der 30jährige war seinerzeit von hinten ergriffen worden, als er ins Hotel Stadt Berlin gehen wollte, um dort zu essen. Er saß 15 Stunden in Polizeigewahrsam.

Insgesamt sind bei der Staatsanwaltschaft 24 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Demonstrationen zum 40. Jahrestag anhängig. In zwei weiteren Fällen wurden inzwischen Anklagen gegen ehemalige Volkspolizisten erhoben. Anfang März wurde vor dem Amtsgericht Tiergarten aufgrund einer Anklage der DDR- Staatsanwaltschaft ein Ex-Vopo wegen Körperverletzung zu einem Jahr Haft mit Bewährung und 2.000 DM Geldbuße verurteilt. In jenem Prozeß hatte der Richter von Gestapomethoden gesprochen, weil der Angeklagte aus reinen »Rachegelüsten« auf den Demonstranten eingeschlagen habe. dpa

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