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Frauensprache, wirklich süß

■ Weibliches und männliches Sprechen im Kulturvergleich

Inwiefern lassen sich Unterschiede im Gesprächsverhalten von Frauen und Männern in verschiedenen Kulturen festmachen? Gibt es universelle geschlechtsspezifische Unterschiede im Interaktionsverhalten? Welche Eigenschaften weiblichen und männlichen Sprechens werden in der jeweiligen Kultur positiv oder negativ bewertet?“ So skizzieren zwei Konstanzer Linguistinnen den von ihnen herausgegebenen Sammelband Von fremden Stimmen. Weibliches und männliches Sprechen im Kulturvergleich. Feministische Sprachwissenschaft wurde an der Konstanzer Universität in den 70er und frühen 80er Jahren von Luise F. Pusch und Senta Trömmel- Plötz begonnen; der vorliegende Sammelband umfaßt hauptsächlich Beiträge der jüngsten amerikanischen Diskussion zur Geschlechtsidentität, die neben Beruf und Herkunft eine unserer wichtigsten gesellschaftlichen Identitäten darstellt und den gesamten Alltag durchdringt. Untersuchungsgegenstand ist der sogenannte genderlect: Der Begriff wurde in Anlehnung zu „Dialekt“ und „Soziolekt“ gebildet und bezeichnet eine geschlechtsspezifische Verwendung von Sprache.

Der schon in der frühen Kindheit von Mädchen erworbene „weibliche“ Stil soll sich durch Prestige-Armut, Kooperation, Zurückhaltung, Personenbezogenheit und Höflichkeit auszeichnen, im Gegensatz zur „männlichen“ Redeweise, die Konfrontation, Selbstbezogenheit und Sachorientiertheit favorisiert. Frauen können selbstverständlich den — das deuten die Anführungszeichen an — „männlichen“ Stil benutzen, nur führt das meistens dazu, daß sie als unweiblich, arrogant und berechnend gelten. Laut Robin Lakoff läßt sich weiblicher Stil an einer frauenspezifischen Wortwahl, an vermehrten Frageformen und angehängten Fragepartikeln (zum Beispiel „ne“ und „gell“), an höflicheren Formen (mehr „bitte“, „danke“ und Konjunktivformen), an Unschärfemarkierungen („finde ich“, „irgendwie“, „oder so“), an korrekteren grammatischen Formen (mit gebildetem Sprechen versuchen Frauen ihren niedrigeren gesellschaftlichen Status aufzuwerten), an weniger Flüchen und an häufigen Tabuwörtern ablesen. Diesen „weiblichen“ Stil lehnte die frühe Frauenforschung als mangelhaften Stil und Zeichen der Unterdrückung, weiblicher Zurückhaltung und fehlenden Selbstbewußtseins ab. Die neuere Forschung dagegen wertete das zurückhaltendere, dialogbetontere und höflichere „weibliche“ Sprechen als Stärke. Als Ursache für die Differenzen zwischen „weiblichem“ und „männlichem“ Sprechen lassen sich die asymmetrische Machtverteilung zwischen Frauen und Männern in der Gesellschaft, die in Gesprächssituationen ständig aktualisiert wird, aber auch kulturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern anführen: „Wer die Macht hat, ist auch im Besitz des ,besseren‘ Stils“ — so lautet die ironische Zusammenfassung der gegenwärtigen Zustände durch die Herausgeberinnen.

Zur Lektüre empfohlen werden kann der Band allen am Themenkreis „Frauensprache/Männersprache“ Interessierten, denn er stellt einen idealen Einstieg in die Diskussion dar. Die fächerübergreifende Herangehensweise an die Phänomene macht die Stärke und Aktualität der einzelnen Beiträge aus. Vorgeführt wird eine — heute selten gewordene — Wissenschaft, die verständlich bleibt, ohne komplexe Sachverhalte zu reduzieren. Gabriele Rippl

Susanne Güthner/Helga Kotthoff (Hrsg.): Von fremden Stimmen. Weibliches und männliches Sprechen im Kulturvergleich. Suhrkamp es 1721, 369Seiten, 18DM.

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