piwik no script img

Von Magdeburg nach Malmö

Der MDR richtet renovierten Vorentscheid zum Schlager-Grand-Prix aus  ■ Von Arne Fohlin

Udo Foth ist ein kleiner, sagenhaft dünner Mann. Gemessenen Schrittes geht er durch die kalte Halle, Typ: Schul-Aula, und erklärt seinem Chef, welche Wunder noch geschehen müssen bis zum 30.März, damit der Mitteldeutsche Rundfunk sich selbst einen prächtigen Einstand ins gemeinsame Tun und Lassen der ARD gibt.

An jenem Abend präsentiert der MDR aus der Stadthalle in Magdeburg eine Neuauflage der schlechtestbeleumundeten Musikshow Deutschlands: Um 20.15Uhr beginnt dann der deutsche Vorentscheid zum alljährlichen Grand Prix d'Eurovision de la Chanson, am 9.Mai direkt aus Schweden, dem Land des Siegerliedes 1991 von Carola („Fangad av en stormvind“). Titel: Ein Lied für Malmö. Was sich Horst-Wolfgang Bremke, vom gepflegten Habitus her schon eher an einen Mann aus der TV-Branche erinnernd, von Udo Foth anhört, klingt gut: „Wird ganz bestuhlt...“ Bremke, der bis Ende des Jahres beim NDR im Unterhaltungsressort tätig war und die NDR-Talkshow zur erfolgreichsten Fernsehplauderrunde machte, hört zu und weiß wahrscheinlich: Foth, der gelernte Journalist („Ich wollte immer in die Unterhaltung“), diese fleischgewordene Antithese zum Begriff Glamour, wird seine Sache gut machen.

45 Minuten lang will der MDR beweisen, daß der Schlagerwettbewerb zuletzt vom Bayerischen Rundfunk ins Image-Nirwana getrieben wurde: „Wir machen eine Sendung für Leute, die Schlager mögen“, sagt Foth maliziös. Sendungen wie die des vergangenen Jahres, als anderthalb Stunden Moderator Hape Kerkeling und seine Paten für die einzelnen Lieder nichts unversucht ließen, sich für die Sendung, für das Genre schlechthin zu entschuldigen, soll es nicht mehr geben. „Wir nehmen die Sendung ernst“, sagt Foth — und Carmen Nebel, die Moderatorin des Abends, lächelt zustimmend. „Ich wüßte nicht, warum ich mich an dem Abend profilieren sollte auf Kosten der Künstler.“

In diesem Jahr sind die Bedingungen anders: Die Crew des MDR hat die Hitlisten der vergangenen Monate durchgepflügt und daraufhin jeden Künstler oder Künstlerin, jede Gruppe angesprochen, die einen Hit hatten und in der Lage sind, live zu singen: „Daran allerdings fehlte es bei einigen dann doch“, erklärt Foth. Und doch: Nicole, Nicki, Howard Carpendale, Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Udo Lindenberg, Petra Zieger, Veronika Fischer und auch Jule Neigel wurden angesprochen. Doch allesamt winkten sie ab.

„Es gehört natürlich auch Mut dazu, sich direkt dem Publikumsvotum zu stellen“, sagt dazu Foth, aber viele haben einfach gekniffen, wie es hinter vorgehaltener Hand heißt. Die Schallplattenfirmen hatten heuer jedenfalls keine Möglichkeit, ihren Nachwuchs ins Rennen zu schicken. „Der Grang Prix“, wie Foth so schön ostisch den Nasallaut vermeidet, „ist kein Nachwuchswettbewerb, wir wollten hier auf der Pressekonferenz nicht sitzen und erst einmal die Interpreten vorstellen müssen.“

So wurden sie schließlich sechsmal fündig: Lena Valaitis, Susan Schubert, Bernhard Brink, die Gruppen Wind, Relax — allesamt eurovisionserfahren — und Blaue Engel. In der Schlagerszene zumindest sind sie keine Unbekannten. Gemurmelte Einwände, da versuchten abgehalfterte Stars mit dem Schlagerwettbewerb ein Comeback, schmettert der MDR ab: „Wir können und wollen niemanden zwingen. Und wenn die Musik den Leuten nicht paßt, können wir nur sagen — so ist die deutsche Musikindustrie eben. International macht sie nicht viel her.“ Und auch sonst scheut man kein Weihwasser: Der eigentliche Reiz der skurrilsten Sendung im öffentlichen-rechtlichen Bereich, die Wertung („Hallo Helsinki, can I have your votes, please?“), wird in Magdeburg gleichfalls zelebriert: In den Funkhäusern der elf ARD-Sendeanstalten sitzen Juries und votieren was das Zeug hält: „Hallo Hamburg, wen würden Sie nach Malmö schicken?“ Kein Schmock mehr mit Infratest.

Wer favorisiert ist? Der MDR hält sich bedeckt. „Mir haben alle Titel gefallen, es war keine Auswahl, bei der am Ende Notlösungen übrigblieben“, sagt Udo Foth. Und mit einem Anflug von einem Siegerlächeln teilt er mit: „Es gibt einen Favoriten mit einem Lied, der durchaus zum Ohrwurm taugt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen