: Letzter Ausweg Sindelfingen
■ In der Handball-Bundesliga der Frauen unterlag GutsMuths Europacupsieger TV Lützellinden mit 17:24
Charlottenburg. Lützellinden besitzt nicht einmal eine eigene Autobahnausfahrt — und dennoch fahren die Fans des Frauenhandballs voll ab auf diesen Vorort von Gießen. Immerhin hantieren dort die amtierenden Europacup-Gewinnerinnen des Pokalsieger-Wettbewerbs mit ihrem ledernen Wurfgeschoß. Auch in der laufenden Bundesliga-Saison schmücken die Hessinnen wieder einsam die Tabellenspitze der Bundesliga Gruppe Süd.
Wer soll sie stoppen? fragt die verzweifelte Konkurrenz, die bereits mit mindestens vier Minuspunkten im Rückstand liegt.
In dieser schier ausweglosen Situation meldete sich vor dem 19. Spieltag ein Berliner namens Edgar Fahrenwald zu Wort: »Wir haben gegen Lützellinden schon mal gewonnen. Vielleicht schaffen wir es ja wieder«, beschwört er vor dem Treffen gegen den Euro-Champ die wundersame Welt der Wurfkraft.
Eddy who? Edgar Fahrenwald ist Trainer der Tabellensiebten GutsMuths/BTSV und kämpft mit seinen Frauen »wegen sehr, sehr viel Verletzungspech« derzeit nur um den rettenden sechsten Platz, der zum Verbleib in der Eliteklasse berechtigt. »Angesichts unserer Pechsträhne bin ich ganz zufrieden mit dem bisherigen Abschneiden meines Teams«, ließ der unverbesserliche Optimist vor der Partie zusätzliche Hoffnung keimen.
Zweifellos tat er dies auch aus Eigennutz. Beim Blick auf das Festprogramm seines Vereins erkennt man, daß das »Wunder gegen Lützellinden« gerade zur rechten Zeit gekommen wäre. Der gegenwärtig Sechstplazierte aus Sindelfingen rangiert nämlich ganze zwei Pluspunkte vor den Berlinerinnen. »Aber trotzdem ist die Stimmung bei uns gut«, gelobte Fahrenwald baldige Besserung: »Die Spielerinnen glauben fest an ihre Chance und wollen in der ersten Liga bleiben.« Diesem Glauben mußte vor kurzem sogar der wesentlich stärker eingeschätzte Lokalrivale TSC Berlin Tribut zollen: die Lichtenbergerinnen, die momentan den vierten Platz einnehmen, unterlagen den Fahrenwald-Schützlingen vor eigenem Publikum! Ein erstes »Aber Hallo«-Erlebnis der weiblichen Sieben von GutsMuths/BTSV Berlin, dem am Samstag möglichst das zweite Ausrufezeichen gegen die Perlen Handball-Hessens folgen sollte. Alle Sensationslust war jedoch schon zur Halbzeit der Partie verflogen. 11:8 führten die Gäste nach 30 Minuten dank Auswahlspielerin Katja Kittler, die fast nach Belieben ihre Würfe ins Berliner Tornetz setzte. Auch wenn es auf einheimischer Seite Sabine Erbs oder Jewgenia Tovstogan ihr nachzumachen versuchten — außer einem überzeugenden Kampfgeist hatten die Außenseiterinnen nicht viel in die Waagschale zu werfen.
Als schließlich nach 60 Minuten die Endsirene ertönte, durfte sich der TV Lützellinden über einen 17:24- Auswärtserfolg freuen. Es hat also nicht sein sollen mit der herbeigesehnten Sensation durch die Berliner Handballfrauen. »Jetzt entscheidet sich der Kampf um den sechsten Rang wahrscheinlich erst am letzten Spieltag, wenn wir in Sindelfingen antreten müssen«, trotzte Edgar Fahrenwald allen frühzeitigen Unkenrufen.
Sollte GutsMuths tatsächlich den bitteren Gang in die Zweite Liga antreten, wäre Handball-Berlin auf einen Schlag gleich vier Erstligisten los: Nach den Männern aus Spandau mußten bereits die Frauen des Berliner VB sportlich sowie deren Geschlechtsgenossinnen vom TSV Tempelhof-Mariendorf finanziell ihre Zelte im Oberbau abbrechen.
Auf die Frage, wie es im Fall der Fälle beim einstigen Aushängeschild Berlins weitergeht, gibt Trainer Fahrenwald eine klare Antwort: »Ich weiß es nicht!« Jürgen Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen