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Kunst unter Spotlight

■ Litographien von de Kooning in der Galerie Salander O'Reilly

Im Jahr 1969 schrieb Hilton Kramer im 'Time Magazine‘, daß das Thema über de Koonings Einfluß auf die moderne Kunst nunmehr ein totes sei. Das war ein Irrtum. Zwar hatte Ende der sechziger Jahre die von de Kooning gehaßte Pop-art ihre größte Verbreitung, Minimal art ihre entscheidenden Erfolge, Concept einen stillen, aber durchgreifenden Beginn — de Kooning jedoch blieb Thema. Jeder Maler wurde an de Kooning (oder Pollock) gemessen — verkörperte er doch das seltene Phänomen, kontinuierlich Arbeiten zu liefern, älter zu werden und gut zu leben.

Amerikanische Künstler sterben oft jung. Pollock, Rothko, Gorky, Hesse, Smithson und Mapplethorpe, Haring, Basquiat starben früh. De Kooning wurde älter und arbeitete. Er war schon vor dem Galeristen Castelli da und ist es noch immer. Er sah die Kunststile wechseln wie die Moden und malte weiter. 1969 schien sein Einfluß zu schwinden. 1984 bekam er eine große Retrospektive in Berlin und war neben den »Neuen Wilden« à la mode. De Kooning war fast so alt wie das Jahrhundert und doch immer zeitgenössisch.

Wenn es eine Galerie unternimmt, einem solchen Schwergewicht amerikanischer Malerei eine Einzelausstellung zu widmen, ist dies jenseits verkäuflicher Selektrion auch eine ästhetische Herausforderung. Die Galerie Salander O'Reilly hat eine solche Ausstellung organisiert und zeigt einen bislang nirgends ausgestellten Ausschnitt aus de Koonings druckgraphischen Werk. Damit wäre eine Bedingung erfüllt, um als wesentliche Galerie zu gelten: Eine Erstausstellung von Arbeiten eines Top-Künstlers. Die teilweise überarbeiteten und aus marktstrategischen Gründen zurückgehaltenen Lithos aus den Jahren 1966/67 sind allerdings weder geeignet, die Gattung Druckgraphik zu revolutionieren, noch das Image de Koonings in neuem Licht zu sehen, noch die Präsentation in den weitläufigen Räumen der Galerie als vorbildlich zu erkennen. Die Ausstellung setzt keinen neuen Standard. Zwar ist das Stammhaus in New York mehrmals durch kuratorisch exzellente Präsentationen bekannt geworden, aber diese Exzellenz bleibt für die neue Galerie in Berlin noch unerreicht. Die in freien Rhythmen fließenden, leichten Strichformationen bestätigen Litho für Litho de Koonings instinktsichere Ökonomie, in gegebenen Rahmen Schwarz gegen Weiß so zu gewichten, daß beides sich gegenseitig dynamisiert. Das kann man von einem Fachmann auch erwarten. Die Blätter sind dicht an dicht nebeneinander aufgereiht und werden in gefährlich grellem Spotlight so unerbittlich angestrahlt, als ginge es darum, auch die feinste Pore auf dem Papier auszuleuchten. Das wird den Ästheten unter den Besuchern genausowenig einleuchten, wie es den Blättern selbst angemessen ist. Sie brauchen die milde Mattheit gedämpften Lichts. Dann beginnen sich die Striche zu bewegen und vibrieren wie die erregende Hand, die sie zog. Offenbar wollte die Galerie den erotischen Aspekt der Lithos ausblenden. Es ist ihr durch ihre pornographische Präsentation fast gelungen. Damit wäre eine Bedingung, als wesentliche Galerie zu gelten, nicht erfüllt: nämlich die werkgerechte Präsentation der Arbeiten. Peter Herbstreuth

Galerie Salander O'Reilly, Kurfürstendamm 214, Di-Sa 10-18 Uhr, bis 4. April.

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