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Bonn will 45 Phantoms an Ankara liefern

■ Die Maschinen sind angeblich nicht angriffstauglich/ Politiker aller Parteien verlangen Einschaltung der KSZE zur Vermittlung in Kurdistan/ Neue türkische Bombardements im Nord-Irak

Berlin (taz/dpa/afp) — Fünf Tage nachdem die türkische Armee das Feuer auf die Bevölkerung ihrer kurdischen Landesteile eröffnete, wurde gestern auch bei den Bonner Regierungsparteien Kritik am Vorgehen der Nato-Partnerin laut. Einzelne Politiker verurteilten das „brutale Vorgehen gegen die Kurden“ und verlangten, die „kurdische Realität“ anzuerkennen, so der CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzende Karl- Heinz Hornhues. Politiker aller Parteien verlangten, die KSZE einzuschalten. In scharfer Form wies die Bundesregierung die Behauptung der türkischen Regierung zurück, Bonn unterstütze die bewaffnete kurdische Organisation PKK.

Die von Beobachtern erhobenen Vorwürfe, die Türkei habe bei ihrem Vorgehen gegen die Kurden auch Waffen der NVA eingesetzt, wurden laut Regierungssprecher Vogel vom Bonner Kabinett „mit keinem Wort besprochen“. Bisher liege der Bundesregierung keine Bestätigung dafür vor. Ein Reporterteam von Sat.1 hat nach eigenen Angaben inzwischen den Einsatz von NVA-Schützenpanzern gegen Kurden dokumentiert. Der SPD-Außenpolitiker Gansel forderte, alle Rüstungslieferungen an die Türkei müßten unverzüglich eingestellt werden. Er sagte: „Die Türkei ist nicht durch einen äußeren Feind bedroht. Sie bedroht sich selbst durch ihre falsche Kurdenpolitik.“ Der Bundestagsabgeordnete verlangte, daß die KSZE- Außenministerkonferenz in Helsinki sich mit dem Konflikt befasse. Zudem wies er auf die Gefahr hin, daß Saddam Hussein die Gelegenheit für eine neue Offensive gegen die Kurden auf irakischem Gebiet nutzen könnte. Deswegen müsse auch der UNO-Sicherheitsrat eingeschaltet werden.

Die Grünen riefen die Bundesregierung sowie die EG-Staaten auf, jede Hilfe für die Türkei einzustellen. Ferner solle sich Bonn im Europarat dafür einsetzen, eine Untersuchungskommission in die Türkei zu entsenden.

In einem Brief an den stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Volkspartei, Erdal Inönü, verurteilten Engholm und Klose den Armee-Einsatz gegen die kurdische Zivilbevölkerung. Mit dem brutalen Vorgehen von Teilen der Sicherheitskräfte werde die kurdische Bevölkerung geradezu in die Arme der PKK getrieben.

An ihrer Absicht, 45 Aufklärungsflugzeuge, darunter 15 Maschinen vom Typ Phantom, aus Bundeswehrbeständen an die Türkei zu liefern, hält die Bundesregierung weiterhin fest. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte gestern, die Aussonderung der Maschinen eines Aufklärungsgeschwaders in Bremgarten im Schwarzwald und in Leck in Nordfriesland beginne in diesen Tagen. Sie würden in Deutschland „lebensdauerverlängernden Maßnahmen“ unterzogen und nur unbewaffnet übergeben. Nach anderen Informationen sollen sich türkische Militärs bereits bei der Bundeswehr nach Möglichkeiten erkundigt haben, die Phantoms umzurüsten.

Bundesweit mehrten sich unterdessen die Warnungen vor „extremistischen Kurden“. Dagegen werde mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorgegangen, so Innenminister Seiters. Baden-Württembergs Innenminister Schlee (CDU) sprach sich für ein Verbot „kurdischer Extremistengruppen“ aus. Das SPD-regierte Saarland beschloß als bislang einziges Bundesland einen bis Ende September befristeten Abschiebestopp für türkische Kurden.

In Kurdistan spitzten sich gestern die Kämpfe weiter zu. Nach Informationen der Hilfsorganisation medico international flüchteten zahlreiche Einwohner aus der mehrfach bombardierten und von Panzern umzingelten Stadt Sirnak, wo seit Dienstag 35 Menschen von der Armee getötet wurden. Gestern nachmittag dehnten sich die Kampfhandlungen in den Nord-Irak aus. Türkische Flugzeuge bombardierten das jenseits der Grenze liegende Kurdengebiet. Ministerpräsident Demirel hatte zuvor angekündigt, die Grenze zu dem Nachbarland werde völlig dichtgemacht. Mit einem solchen Schritt würde nicht nur den auf beiden Seiten der Grenze verfolgten Kurden der letzte Fluchtweg abgeschnitten — auch die ausländischen Hilfsgüter für Kurden im Nord-Irak könnten nicht mehr transportiert werden. dora

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