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Walesa will Geschäftstips geben

■ Am Sonntag abend trifft der polnische Präsident in der Bundesrepublik ein

Berlin (afp) — Wenn Lech Walesa am Sonntag abend am Flughafen Köln-Bonn aus dem Flugzeug steigt, beginnt der erste Staatsbesuch eines polnischen Präsidenten in Deutschland, seitdem es in diesem Jahrhundert wieder ein selbständiges Polen gibt. „Das für sich allein unterstreicht das Gewicht des Ereignisses“, erklärte Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Vorfeld des Besuches, der den Gast in vier Tagen kreuz und quer durch das vereinte Deutschland führen wird. Wenn die Beziehungen zwischen beiden Ländern auch besser seien als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in diesem Jahrhundert, so habe Bonn doch „vielerlei Grund, die Reise Walesas in bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ernst zu nehmen“. Was er von dieser Reise erwartet, hat der polnische Präsident im Vorfeld seines Besuches deutlich gemacht. „Die Deutschen haben den Kommunisten am meisten Geld geliehen und uns so am tiefsten in den Sumpf geführt“, erklärte Walesa gegenüber dem Berliner 'Tagesspiegel‘. Man könne ernsthaft darüber nachdenken, „ob sich die Deutschen, wenn sie die Kommunisten so unterstützt haben, nicht auch etwas mehr engagieren sollten, um die Folgen des Kommunismus wieder zu beseitigen.“ Er wolle aber gar kein Geld, sondern nur „den Deutschen verraten, wo sie gute Geschäfte machen können“. Die Anspielung auf die nach polnischer Ansicht ungenügenden westlichen Investitionen wird in Bonn verstanden. Diese seien in der Tat noch „bescheiden“, räumte von Weizsäcker am Donnerstag vor Journalisten in Bonn ein. Die Vergangenheit solle und könne nicht vergessen werden. Sie solle aber nicht mit Schuldgefühlen gekoppelt werden. Von Bonn bis Frankfurt an der Oder und von Bremen bis München wird der polnische Präsident in der nächsten Woche seine Gesprächspartner auf ihre Verantwortung für die polnische Wirtschaft hinweisen. Daß Polen keine Fehlinvestition sein wird, hat Walesa am Vergleich mit der ehemaligen DDR deutlich zu machen versucht. Wenn er am Dienstag mit Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) zusammentrifft, will er ihn fragen, wieviel Geld die neuen Bundesländer bisher gekostet haben. Dann werde sich zeigen, daß das größere Polen nicht soviel Geld verschlungen habe, meinte Walesa. Dabei sei Polen stabiler als die ehemalige DDR; dort werde niemandem die Zunge abgeschnitten, wie jüngst in Berlin, wo vermutlich rechtsradikale Angreifer einen polnischen Staatsbürger verstümmelten.

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